Kommentar:Unverständlicher Streit ums Rathaus

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Eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen hat Vorteile gegenüber einer zentralen, doch der Landkreis braucht dringend Räume

Von Peter Bierl

Wenn der Landrat Druck macht und mit der Beschlagnahmung von Bürgerhäusern, Turnhallen und Tiefgaragen droht, handelt er korrekt, denn bis zum Jahresende werden wohl mehr als 3000 Flüchtlinge im Landkreis sein, die alle ein Dach über dem Kopf brauchen. Dass so viele Menschen, die kein Geld haben, in kurzer Zeit in einer so dicht besiedelten Gegend, in der ohnehin schon Wohnungsmangel herrscht, dezentral untergebracht werden können, erscheint mindestens zweifelhaft.

Auf der anderen Seite steht außer Frage, dass eine dezentrale Unterbringung für Flüchtlinge, Helfer und Anwohner die bessere Lösung ist. Sie erschwert auch Attentätern das Handwerk. Darum sollte der Landrat alle Initiativen unterstützen, die wie der "Gröbenzeller Weg" darauf setzen, möglichst viele einzelne Wohnungen und Häuser aufzutreiben statt Massenunterkünfte zu schaffen. Sowohl in Gröbenzell aber auch in Puchheim bleibt der Eindruck, dass die Kreisbehörde lokale Anstrengungen eher bremst. In Puchheim äußerten Mitarbeiter aus dem Rathaus, man habe das Landratsamt zum Jagen tragen müssen, nachdem die Stadt ein leer stehendes Gebäude im Gewerbegebiet aufgetan hatte. Es dauerte ziemlich lange, bis das Landratsamt die Immobilie gemietet hatte. Ähnliche Erlebnisse berichteten Gröbenzeller Kommunalpolitiker am Donnerstag im Gemeinderat.

Vermutlich ist die Kreisbehörde einfach überfordert. Bloß der Landrat hat noch Zeit und Energie. Auf Facebook führt er lange Diskussionen mit Bürgern, in Pressekonferenzen oder Rundschreiben äußert er sich über Flüchtlinge. Was er dabei von sich gibt, ist falsch und gefährlich, etwa, dass Roma in Südosteuropa nicht diskriminiert oder zwei Drittel der Asylbewerber nicht wirklich verfolgt würden, sondern bloß abkassieren wollten. Das nährt den Verdacht, dass Karmasin, der ja in München im Krisenstab der CSU-Landesregierung sitzt, die von der Zuwanderungspolitik der Bundeskanzlerin wenig begeistert ist, noch andere Ziele verfolgt, nämlich Stimmung zu machen.

Besser wäre, der Landrat würde stattdessen seine Zeit nutzen, um bei den Gröbenzeller Parteifreunden Überzeugungsarbeit zu leisten. Bei allen Vorzügen einer dezentralen Unterbringung ist es ziemlich unverständlich, dass sich die CSU-Fraktion dort dagegen sperrt, das Rathaus, das in etwa einer Woche leer stehen wird, zur Verfügung zu stellen. Obendrein ist ja nicht erst seit gestern davon die Rede, dass 3000 und mehr Flüchtlinge kommen könnten, sondern seit vielen Monaten.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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