Kommentar:Unter falscher Flagge

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Für manche Gruppen wie Behinderte oder die Jugend sind Beiräte sinnvoll. Doch die Wirtschaft ist schon gut vertreten

Von Peter Bierl

Ein halbes Dutzend Beiräte werden bald die Arbeit des Brucker Stadtrats begleiten: Auf Senioren-, Behinderten-, Jugend-, Sport- und Umwelt- soll ein Wirtschaftsbeirat folgen. Einigen Mandatsträgern wird es nun zuviel mit der Rätemacht, andere sehen darin eine Tendenz zu mehr Bürgerbeteiligung. In jedem Fall sinnvoll sind Jugend- oder Ausländerbeiräte, die direkt gewählt werden, weil diese Gruppen zum Teil weder über das aktive noch das passive Wahlrecht verfügen. Sie brauchen Foren, um ihre Interessen zu artikulieren. Generell können Beiräte ihre Kompetenz einbringen und sie sollten für Betroffene kämpfen, wo Mandatsträger desinteressiert sind, resigniert haben, als Parteisoldaten funktionieren oder sich vermeintlichen Sachzwängen beugen. Das zeigen die Behinderten- und Seniorenbeiräte von Bruck und Puchheim, die für den barrierefreien Umbau der Bahnhöfe streiten.

Zugleich verweisen Beiräte in Konfliktfällen auf Defizite von Mandatsträgern und Parteien. Nach Kommunalwahlen hört man regelmäßig das Gejammer über niedrige Wahlbeteiligung. Aber warum sollen sich Bürger die Mühe machen, wenn sie sowieso hinterher selber für vergleichsweise schlichte Dinge wie einen barrierefreien Zugang zum Sitzungssaal des Rathauses kämpfen müssen? Ähnliches gilt für Umweltbeiräte. Die Zeiten, in denen Mülltrennung noch als kommunistisch verunglimpft wurde, sind vorbei. Heute leisten alle Parteien Lippenbekenntnisse zum Umweltschutz und wetteifern mit Alibiveranstaltungen. Umweltbeiräte sollten nicht als Feigenblätter dienen, sondern angesichts ökologischer Katastrophen energisch und konfliktfreudig eingreifen.

Manche Gremien scheinen etwas überdimensioniert, wie die Umweltbeiräte in Germering und Puchheim mit mehr als einem Dutzend Mitglieder. Möglicherweise ist die Größe für einen Austausch unterschiedlicher Perspektiven aber angemessen. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, segelt der angestrebte Wirtschaftsbeirat in Bruck unter falscher Flagge: Es wäre ein reiner Unternehmerclub ohne Gewerkschafter, Umwelt- oder Verbraucherschützer. Ein solches Gremium ist überflüssig, weil diese Klientel über einflussreiche Verbände verfügt. Eine "Willkommenskultur für Unternehmen", die die CSU fordert, existiert angesichts der Standortkonkurrenz ohnehin überall - schon weil jede Kommune auf Steuereinnahmen angewiesen ist.

© SZ vom 23.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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