Kommentar:Ungerechte Rechthaberei

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Wer sein Auto abstellt, wo es nicht hingehört, muss damit rechnen, dass es abgeschleppt wird. Warum das in diesem Fall aber höchst ungerecht ist

Von  Gerhard Eisenkolb

Autofahrer sind rücksichtslos, egoistisch und unverschämt, wenn sie Gehsteige, Radwege, Zufahrten, Rettungswege oder Straßenbahnschienen zuparken und versperren. Ein solches Verhalten ist unsozial und nicht zu tolerieren. Deshalb ist es in Ordnung, dagegen konsequent vorzugehen. Falls notwendig, muss auch abgeschleppt werden. Und selbstverständlich haben Grundstückseigentümer das Recht, gegen unberechtigtes Parken auf ihrem Besitz vorzugehen. Wie der aktuelle Fall von 23 abgeschleppten Autos von Besuchern von Kulturveranstaltungen in Gröbenzell zeigt, ist die Welt jedoch nicht nur schwarz und weiß. Es stellt sich die Frage, ob es gerecht ist, einen Autofahrer, der nachts illegal auf dem leeren Großparkplatz eines Geschäftsbetriebs parkt, den er tagsüber legal als Kunde nutzt, die gleiche Härte spüren zu lassen, wie jemanden, der Rettungswege blockiert.

Zwei Dinge machen an dem Gröbenzeller Fall stutzig. Vermischt sich doch hier ein Ärger unter Nachbarn auf ungute Weise mit einem anrüchigen Geschäftsmodell, das aus Fehlern von Autofahrern rücksichtslos Kapital schlägt. Letzteres ist nicht gut zu heißen, ebenso wenig wie das Falschparken. Diesem Treiben kann jedoch nur der Gesetzgeber Einhalt gebieten, indem er rote Linien zieht - bezüglich der Höhe der ausufernden Kosten und Nebenkosten sowie der Verhältnismäßigkeit des Abschleppens.

Nur mit Rechthaberei lassen sich Differenzen im zwischenmenschlichen Bereich nicht beilegen. Bei allem Verständnis dafür, dass der Besitzer des ehemaligen Möbelhauses verärgert ist, wenn Besucher einer Party seinen gesamten Parkplatz blockieren: Er hätte auch anders reagieren können, als sofort zur großen Keule zu greifen, um den Veranstalter Mores zu lehren. Beide saßen jahrelang gemeinsam im Gemeinderat, sie kennen sich also bestens. Das sollte eine ausreichende Grundlage für ein klärendes Gespräch unter Erwachsenen sein. Unbeteiligte Autofahrer ohne Vorwarnung dafür büßen zu lassen, dass zwei Männer nicht miteinander reden wollen oder können, ist nicht die feine Art. Mit solcher Rechthaberei geht auch ein Stück Lebensqualität und mitmenschliches Miteinander verloren.

© SZ vom 25.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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