Kommentar:Symbiose aus Alt und Neu

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Im Fliegerhorst lässt sich die deutsche Geschichte der vergangenen 80 Jahre als Architektur erleben. Die gilt es zu erhalten

Von Stefan Salger

In Fürstenfeldbruck fehlen vor allem Wohnungen. Werden in der Nachbarschaft von Mehrfamilienhäusern gleich noch Arbeitsstätten, Schulen sowie Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten geschaffen, steigt die Chance, trotz Wachstums den Autoverkehr einzudämmen und eine ökologische Mustersiedlung der kurzen Wege zu schaffen. Städteplanern schlägt da das Herz höher. Der Fliegerhorst könnte für ordentlich Herzklopfen sorgen: Wenn die Bundeswehr in ein paar Jahren endgültig abzieht, könnte man da nicht das Militärgelände plattmachen und all die alten, zugigen, nicht zu isolierenden Gemäuer wegreißen? Dann ließe sich alles am Reißbrett optimieren. Traumhaft. Traumhaft?

Natürlich ist das Unfug. So schön es wäre, ohne jegliche Einschränkungen munter losplanen zu können, so katastrophal wäre es, die historisch bedeutsame Substanz unwiederbringlich niederzuwalzen. In ein paar Jahrzehnten würde dann ein Teil deutscher und Fürstenfeldbrucker Geschichte in Vergessenheit geraten. Ablesen lässt sich die bewegte Entwicklung an den Gebäuden: Massive Türme mit Kreuzgewölbe bis hin zum Glas-Metall-Beton-Flachbau aus den Siebzigerjahren - "Wiege der deutschen Luftfahrt", Schrecken der Nazizeit, Befreiung durch die Alliierten, Schauplatz des blutig endenden Geiseldramas der Olympischen Spiele 1972, Einsätze in Krisengebieten wie Afghanistan. Nicht immer Zeiten und Vorkommnisse, an die man gerne erinnert wird. Aber Zeiten und Vorkommnisse, die nicht im Dunst der Vergessenheit verschwinden dürfen. Denkmale sind auch Mahnmale für künftige Generationen. Es ist zwingend nötig, markante Teile der Architektur zu erhalten - mag dies auch auf Kosten der Verwertung und des Grundstückswerts gehen. Es bleibt genügend Platz für Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit. Und weil Denkmalschutz mitnichten bedeutet, Häuser leer stehen zu lassen, sind gerade jetzt die Planer gefragt, Nutzungsmöglichkeiten für den Bestand zu finden. Gelingt es, historischen Bestand und Neubauten zu einer organischen Einheit zu verschmelzen, würde dies viel eher als ein Entwurf vom Reißbrett das Prädikat "Mustersiedlung" verdienen.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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