Kommentar:Stimmungsmache hilft nicht

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Landrat Thomas Karmasin schaltet bei der Flüchtlingsunterbringung in den Notfallmodus

Von Gerhard Eisenkolb

Landrat Thomas Karmasin ist ein Politiker, der klare Worte liebt. Bei ihm muss man also immer damit rechnen, dass er Probleme ohne Rücksicht auf die Folgen anspricht, die seine Aussagen haben könnten. Seine plötzliche Wende in der Flüchtlingspolitik und die Abkehr von der Linie der Willkommenskultur kommen dennoch überraschend. Schließlich zeichnet sich schon seit Monaten ab, dass er im Landkreis bis zum Jahresende voraussichtlich 3000 Flüchtlinge unterbringen muss. Auch die Zusammenarbeit zwischen dem Landratsamt, den Kommunen und Hunderten Asylhelfern funktionierte bisher relativ gut. Man hat es irgendwie immer geschafft, alle Menschen unterzubringen. Das Landratsamt ist auf Dauer mit der Aufgaben sicher überlastet und der Landrat sehr frustriert, weil er sich wie Sisyphos in der griechischen Mythologie dazu verdammt sieht, den immer wieder gleichen Stein einen Berg hinaufzurollen, nur damit dieser sofort wieder herunterrollt. So eine Situation ist jedoch noch keine Rechtfertigung dafür, alles gemeinsam Erreichte infrage zu stellen, populistisch zu zündeln und abrupt in den Notstandmodus umzuschalten.

Beabsichtigt der Landrat mit der Abkehr von der Willkommenskultur die politisch Verantwortlichen im Bund aufzurütteln, ist dies das völlig falsche Signal. Letztlich wird es in Berlin niemanden interessieren, ob Flüchtlinge im Landkreis Fürstenfeldbruck in einem Landhaus wie beispielsweise in Kottgeisering, in Turnhallen wie in Puchheim oder in Containern, wie sie in einigen Gemeinden stehen, untergebracht sind. Er mag für sein Handeln sachlich gerechtfertigte Gründe haben. Aber wenn er aufrütteln will, sollte das nicht auf eine emotionale Weise geschehen, die, ob gewollt oder ungewollt, auch ausländerfeindliche Stimmungen bedient. Auf diese Weise kann man Frust ablassen, nur haben weder die Mitarbeiter im Landratsamt, noch die Flüchtlinge, noch die Wohlgesonnenen im Landkreis davon etwas.

Will Karmasin politisch etwas bewegen, kann er sich der bewährten Mittel bedienen, die einem Landrat zur Verfügung stehen und über den Landkreistag, als Sprecher der Landräte in Oberbayern oder auch nur über Kreistagsbeschlüsse seinen Einfluss geltend machen. Nach einer Amtszeit von 19 Jahren ist er in der Politik gut vernetzt. Zudem ist er nicht der einzige Landrat, dem die hohe Anzahl Geflüchteter zu schaffen macht.

© SZ vom 05.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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