Kommentar:Stachel im Fleisch der Brucker

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Die Neue Bühne Bruck zeigt aktuelles, gesellschaftskritisches Theater. Darauf sollten Kulturpolitiker nicht nur stolz sein, das sollten sie auch finanziell unterstützen

Von Florian J. Haamann

Es ist nun also das zweite Mal in Folge, dass sich die Neue Bühne Bruck über ein Stück, das sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigt, aktuellen politischen Problemen nähert. Zuerst war es die Hitler-Satire "Er ist wieder da", die zeigt, wie schnell sich Gesellschaften verführen lassen und Ideologien folgen, wenn nur der richtige Anführer auftaucht. Als nächstes Stück steht jetzt also ein Werk über einen jungen Homosexuellen, der ins KZ Dachau kommt, auf dem Spielplan. Doch dabei geht es um mehr als das Einzelschicksal.

Der Regisseur macht deutlich, wie schnell jeder einzelne in einem undemokratischen, illiberalen System ausgegrenzt wird und um sein Leben bangen muss. In Zeiten zunehmender Fremdenfeindlichkeit und immer lauter werdender rechter Hetzer ein deutliches Statement. Die Neue Bühne ist mit diesen beiden Herbststücken so aktuell und nah an gesellschaftlichen Entwicklungen dran, wie man es sich von einem Theater nur wünschen kann. Sollte Intendant Harald Molocher diesen Trend fortsetzen, könnte die Neue Bühne wieder das werden, was sie in ihrer Anfangszeit war: ein Stachel im Fleisch der (damals) konservativen Brucker. Ein Theater, das gesellschaftliche Fehlentwicklungen anspricht, Tabus thematisiert und eine Auseinandersetzung provoziert. Damit hätte Bruck ein Theater, das bietet, was die gemütlich gewordene Münchner Szene kaum mehr hat.

Um sich diesen Mut allerdings leisten zu können, ist die Neue Bühne auf Unterstützung durch die Stadt angewiesen. Denn ein Theaterbetrieb auf dem Niveau, auf dem sich die Neue Bühne bewegt, lässt sich nur mit genug Geld aufrecht erhalten. Und wer es sich traut, unbekannte und wenig gefällige Stücke zu spielen, der braucht ein Subventionssystem, das nicht an die Zahl der verkauften Karten gekoppelt ist. Auch wenn es dem berüchtigten Kampf gegen die Windmühlen gleicht, es wäre für die Kulturpolitiker der Stadt angesichts der aktuellen Entwicklung der Neuen Bühne an der Zeit, sich bei ihren Kollegen mit Nachdruck für eine spürbare Erhöhung der Zuschüsse einzusetzen.

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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