Kommentar:Richtige Schritte gegen das Stigma

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Im Landkreis entstehen immer mehr Stellen, durch die psychisch kranke Menschen aus der Unsichtbarkeit in die Öffentlichkeit geholt werden

Von Ingrid Hügenell

Unsichtbare Krankheiten" - so werden Krankheiten der Seele oft genannt. So nannte sie auch, in Anlehnung an die Sendung mit der Maus, Anna Schäfer-Lambertz, die Vertreterin des Bezirks, bei der Eröffnung der Tagesstätte für psychisch erkrankte Menschen in Germering. Sie heißen so, weil man eben nicht sieht, wie und woran der Betroffene leidet. Und das bedeutet oft auch, dass die Menschen selbst noch immer weitgehend unsichtbar sind. Werden sie doch sichtbar, wird ihnen noch allzu oft ein Makel zugeschrieben, ganz so, als seien sie selbst schuld an ihrem Zustand. Diese Menschen - und auch im Landkreis werden es immer mehr - finden in der Tagesstätte Aufwind einen geschützten Raum, in dem sie gesehen und verstanden werden.

In Fürstenfeldbruck, Germering und Olching gibt es Einrichtungen, die Menschen mit Erkrankungen der Seele Hilfe anbieten, von der psychiatrischen Klinik in Fürstenfeldbruck über Beratungsstellen bis hin zu den Tagesstätten und einer therapeutischen Wohngemeinschaft. Ärzte und Sozialpädagogen, Therapeuten und Psychologen, die dort und in ihren Praxen arbeiten, bemühen sich nach Kräften, die Stigmatisierung zu beenden. Das kann man nur begrüßen, denn es kann dazu führen, dass sich Betroffene leichter helfen lassen. Überdies bedeutet es eine riesige Belastung, auch noch schief angeschaut zu werden, wenn es einem ohnehin schlecht geht. Wer meint, sich schämen zu müssen, wird dadurch sicher nicht gesünder.

Deshalb werden die Hilfsangebote im Landkreis immer stärker öffentlich gemacht, deshalb wurde die psychiatrische Klinik mitten in ein Wohngebiet der Kreisstadt gebaut, deshalb wird auch die neue Tagesstätte in Germering nicht versteckt. Denn auch die psychisch Erkrankten sollen sich nicht verstecken müssen. Diese richtigen und wichtigen Schritte können auch dazu führen, dass Betroffenen und ihre Angehörigen sich früher an die Einrichtungen wenden, die ihnen helfen können.

Eine weitere Botschaft, die von dieser Öffnung ausgeht, richtet sich an Angehörige, Freunde und Kollegen von Menschen mit seelischen Erkrankungen. Sie müssen verstehen, dass jemand mit einer psychischen Störung sich nicht "anstellt", wenn er es beispielsweise nicht aus dem Haus schafft oder ihm jeder Antrieb fehlt. Er kann nicht einfach aufhören so zu fühlen, genauso wenig, wie ein Grippekranker mit Fieber beschließen kann, kein Fieber mehr zu haben.

© SZ vom 20.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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