Kommentar:Respektlos und peinlich

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Der Karfreitag ist kein Tag wie jeder andere im Jahr. Auch wer offensichtlich wenig mit dem christlichen Glauben am Hut hat, sollte dies beachten

Von Gerhard Eisenkolb

Ostern feiern irgendwie alle. Man freut sich über die bunten Eier und Geschenke, die der Osterhase bringt. Und man trifft sich im Kreis der Familie, um gut zu essen. Man kann sich über Ostern freuen und ausklammern, dass die Ostertage und die vorherige Karwoche eine religiöse Wurzel haben und für etwas anderes stehen. Etwas ganz anderes ist es, wenn nun ein Fürstenfeldbrucker Stadtrat und Geschäftsmann die zweifelhafte Idee hat, just am Karfreitag, also an einem Tag, an dem außer in Kirchen absolut nichts los ist, einen Flohmarkt zu veranstalten und damit seinen Squash-Palast zu beleben. Schon über die Tatsache, dass ein junger Mann nicht mehr weiß oder wissen will, welche Bedeutung einer der wichtigsten Feiertage der christlichen Kultur hat, könnte man sich aufregen. Man muss nicht gläubig sein, um wahrnehmen zu können, dass das kulturelle Umfeld wenigstens an einem einzigen sogenannten stillen Tag im Jahr nicht nur aus Spaß, Unterhaltung und der Jagd von Einkäufern nach Schnäppchen besteht.

Der zum Glück vom Ordnungsamt noch Zurückgepfiffene heuchelt zudem sein Bedauern nur. Schließlich empfiehlt er seinen enttäuschten Gästen, die nun an diesem Karfreitag auf ihr Flohmarkterlebnis verzichten müssen, sich doch bei der bayerischen Staatsregierung zu beschweren. Dieser Hinweis lässt sich auch so interpretieren, dass jemand, der einen Fehler gemacht hat, sich zwar gezwungenermaßen an die Gegebenheiten hält, aber nichts dagegen hätte, wenn diese geändert würden. Schuld ist also nicht der entwurzelte Kulturbanause, schuld an dem Schlamassel sind wieder mal diejenigen, die anderen den Spaß verderben. Verständnis sowie Respekt für die Traditionen und den Glauben anderer sehen anders aus.

Noch etwas lehrt der peinliche Vorfall. Die ehemaligen Volkskirchen, also evangelische und katholische Christen, sind nur noch eine Minderheit. Auch wenn der Glaube diffundiert und die Zahl der Kirchgänger stark abnimmt, lohnt es sich aber, darüber nachzudenken, was unsere Kultur dieser christlichen Tradition verdankt.

© SZ vom 23.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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