Kommentar:Relativierungen ohne Ende

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Schilder mit den Namen von NS-Größen? Politik und Bürger sind gespalten

Von Peter Bierl

Ob es um eine Skulptur, den berüchtigten Nazi-Adler, eine Studie über die faschistische Vergangenheit oder belastete Straßennamen geht, der Brucker Stadtrat tut sich schwer mit der NS-Vergangenheit. Jahrelang wird mehr oder weniger heftig gestritten, vor und hinter den Kulissen manövriert und die Ergebnisse sind durchwachsen. Die Chronik, die nach einem Jahrzehnt endlich erschien, hat durchaus Vorbildcharakter, dem Adler hingegen musste der Kopf abgesägt werden, bevor er im Museumsdepot landete und die Liste der Straßenpatrone, die verschwinden soll, wird immer kürzer. Immerhin stellen sich die Brucker überhaupt der Debatte, davon könnten sich andere Kommunen mit ihren Warthegau- oder Hermann-Löns-Straßen eine Scheibe abschneiden.

Wer die Debatten verfolgt, stellt fest, dass sie quer zu den politischen Lagern verlaufen. Die historische Aufarbeitung wurde seinerzeit von einer SPD-Stadträtin gefordert, die dafür von einem Fraktionskollegen niedergemacht wurde. Bei den Straßennamen gibt es empathische Antifaschisten in der CSU, während Teile der BBV kneifen. Andernfalls hätte eine Mehrheit aus BBV, Grünen und SPD die Umbenennung schon vor drei Jahren einfach beschließen können.

Bei den Straßennamen sei die Prognose gewagt, dass am Ende Zusatztafeln mit Informationen angebracht werden. Als Kompromiss wäre das kein ganz schlechtes Ergebnis, bestünde nicht die Gefahr, dass über die Texte weitere Jahre gefeilscht wird und Relativierungen herauskommen: Der Mann ging zwar über Leichen, aber ohne ihn hätte die Menschheit den Mond nicht betreten, könnte es über Wernher von Braun heißen.

Es bleiben allerdings zwei erschreckende wenngleich nicht überraschende Erkenntnisse: Hetze gegen Juden, Aktivitäten als Wehrwirtschaftsführer oder zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen für einen rassistischen Eroberungskrieg sind für manche Kommunalpolitiker bis heute kein Hindernis, jemanden mit einem Straßennamen zu ehren, eine Mitgliedschaft bei NSDAP oder SS alleine schon gleich gar nicht. Zum anderen, dass es sich dabei nicht um ein paar Exzentriker handelt, sondern dass diese mit ihrer Schönfärberei, Verdrängung und Rechtfertigung einen Teil der Bevölkerung repräsentieren.

© SZ vom 24.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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