Kommentar:Recycling nur als Notlösung

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Mülltrennung ist gut. Besser wäre es, möglichst verpackungsfrei einzukaufen

Von Stefan Salger

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das sich in der Regel dem Allgemeinwohl verpflichtet fühlt. Im Fall der Abfallentsorgung heißt das: Korrekte Zeitgenossen trennen akribisch ihren Müll. Da wird dann auch gerne der dicke Geländewagen aus der Garage geholt, um die "Wertstoffe" ans andere Ende der Stadt zum großen Recyclinghof zu fahren. Betagte Senioren haben zuvor brav die Folie der Leberwurst von der Papierschicht abgezogen und suchen nun geduldig den großen Müllsack, in den diese unter den kritischen Augen des Fachpersonals zu werfen ist. Die Pet-Flasche wird hier einsortiert, der große Kunststoff-Hohlkörper dort. Am Ende wird man den Verdacht nicht los, dass sich der Tetra Pak ohnehin nicht vernünftig recyceln lässt und die anderen Verpackungen später doch wieder zusammengeschüttet werden und schlimmstenfalls in irgend welchen Drittweltländern oder gleich in den Weltmeeren landen.

Natürlich ist es politisch nicht korrekt, aber jenseits ideologischer Denkverbote würde man das Duale System des Grünen Punkts, mit dem sich findige Unternehmen die Taschen füllen, am liebsten auf den Mond strafversetzen. Feuchten Biomüll, Papier, Glas und Metalle zu trennen macht sicherlich Sinn. Aber so lange die Industrie es nicht schafft, sich auf wenige, gut recycelbare Kunststoffarten zu beschränken, wären die meisten sogenannten Wertstoffe vermutlich besser in der Geiselbullacher Müllverbrennungsanlage aufgehoben. Dort wird zumindest noch die in ihnen schlummernde fossile Energie verwertet. Letztlich dient das ganze Duale System, das durch die Zwangspreisaufschläge auf die so verpackten Produkte finanziert wird, eher der Beruhigung des eigenen Gewissens.

Es verstellt den Blick darauf, dass der ganze vermaledeite Verpackungskram deutlich reduziert werden muss. Einzeln verpackte Schokoladenrippen oder in Plastikfolie verpackte Bananen sind gaga und müssen auch nicht in Einwegplastiktüten zum Auto getragen werden. Wir Konsumenten können durch unsere Kaufentscheidungen und unser Verhalten viel mehr bewirken als jedes noch so raffiniert ausgetüftelte Abfallentsorgungskonzept. Viele Male verwenden oder gleich ganz ohne auskommen statt recyceln - das muss das Ziel sein. Und das bedeutet mitnichten Verzicht, Verlust der Lebensqualität oder den Untergang des Abendlandes.

© SZ vom 10.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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