Kommentar:Politik muss Helfern helfen

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Pflegekräfte sind zu schlecht bezahlt und gesellschaftlich nicht genug gewürdigt

Von Ingrid Hügenell

Dass einem Germeringer Arzt kürzlich der Kragen geplatzt ist, ist nicht verwunderlich. Verwunderlich ist schon eher, dass das nicht viel öfter passiert. Der Augenarzt sah einen seiner Patienten unversorgt, und nicht den ersten, und schrieb einen langen, entrüsteten Brief an die Krankenkasse. Denn er fürchtet um die Gesundheit seiner Patienten, um ihr Augenlicht. Das ist mutig und man kann es nur begrüßen, dass ein Mediziner, der sich deutlich mit dem Pflegenotstand konfrontiert sieht, öffentlich darauf hinweist. Von diesem Pflegenotstand sprechen Politiker seit vielen Jahren. Passiert ist zu wenig. Immerhin kostet die Ausbildung inzwischen kein Schulgeld mehr. Die Bezahlung aber ist noch immer zu niedrig, und es gibt schlicht zu wenig Pflegekräfte. Die sind ständig im Stress und rennen sich für geringe Fallpauschalen die Hacken ab.

Viele leisten mehr, als sie müssten und bezahlt bekommen, einfach weil ihnen die alten, kranken und behinderten Menschen Leid tun. Honoriert wird der Einsatz nicht. Er fällt nicht einmal auf, denn die meisten erfüllen ihre ungemein wichtige Aufgabe klaglos. Verständlich, dass Pflegedienste es ablehnen, viermal täglich Augentropfen zu verabreichen, wenn sich das nicht rechnet. Genau darin liegt der Fehler, denn solche Verordnungen müssten leistbar sein. Die meisten Dienste versuchen sicherlich das Bestmögliche. Sie müssen aber wirtschaftlich überleben können. Auch die Patienten leiden darunter, dass die Pflege noch längst nicht angemessen bezahlt wird.

Pflegekräfte können in und um München von ihrem Lohn oft kaum die Miete bezahlen. Gefragt sind die Politik, auch Bürgermeister und Landräte. Sie können die Leute in ihren eigenen Einrichtungen fair bezahlen, sie können günstige Wohnungen bauen und sie müssen die Probleme an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten herantragen, die sich für eine bessere Gesetzgebung einsetzen müssen. Deutschland hat eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt. Dass von den Milliarden, die darin umgesetzt werden, zu wenig bei den Pflegekräften ankommt und die Patienten darunter leiden, ja ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt wird, ist tatsächlich ein Skandal.

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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