Kommentar:Politik der Abschreckung

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In der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Bruck herrschen unzumutbare Zustände

Von Peter Bierl

In der Erstaufnahmeeinrichtung am Brucker Fliegerhorst sind Flüchtlinge viele Monate auf engstem Raum zusammengepfercht. Sie wissen nicht, wie es weitergeht, sie dürfen nicht arbeiten. Tagsüber sitzen viele lethargisch in den Zimmern, in der Nacht werden sie aus dem Schlaf gerissen, wenn die Polizei jemanden abholt. Viele stammen aus Afrika und haben auf der Flucht Schreckliches erlebt, Frauen wurden vergewaltigt oder zur Prostitution genötigt. Vielen droht die Abschiebung nach Italien, weil sie dort die EU betreten haben und Deutschland mit dem Dublin-Abkommen die Verantwortung auf Staaten an den EU-Außengrenzen abgewälzt hat. Seit Monaten warnen Mitarbeiter von Caritas und Kolpingakademie, die Polizei sowie Willi Dräxler (BBV), der Integrationsreferent des Stadtrates, dass die Zustände unmöglich seien. Andauernd kommt es zu Auseinandersetzungen. Die Regierung tut nichts, aber wenn Flüchtlinge vor dem Rathaus demonstrieren, rückt eine Spezialtruppe der Polizei an.

Wundern muss man sich nicht über diese Situation und dass die CSU zu Wahlkampfzwecken mit dumpfen Parolen, Kreuzen und hartem Kurs auftrumpfen will, reicht nicht als Erklärung. Seit die Bundeskanzlerin kurzzeitig die Grenzen öffnete, warnten Politiker wie Landrat Thomas Karmasin vor einem Massenansturm und wollten sogenannte Pull-Faktoren reduzieren. Gemeint ist, wir setzen auf maximale Abschreckung: Mauern und Stacheldraht möglichst weit vor den Grenzen der EU, wo Diktatoren und Warlords für die Drecksarbeit bezahlt werden. Und wer es trotzdem bis hierher schafft, dem wird das Leben so sauer wie möglich gemacht.

Der letzte Grund für die schlechte Behandlung ist Wohlstandschauvinismus. Er zeigt sich besonders an den Flüchtlingen aus Nigeria, die das Gros der Bewohner der Brucker Erstaufnahme stellen. Im Norden ihres Landes toben islamistische Banditen, das Nigerdelta haben westliche Ölfirmen in einen ersten Kreis der Hölle verwandelt und die Millionenstadt Lagos wird bis Ende des Jahrhunderts wegen des Klimawandels im Meer versinken. Für viele Zeitgenossen sind das keine Gründe für Asyl. Und mit der Energiewende lassen wir uns auch noch ein bisschen Zeit - selbst im Landkreis.

© SZ vom 16.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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