Kommentar:Perspektive statt Lagerkoller

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Die Lage in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Bruck wird sich wohl nicht entspannen, solange die Bewohner keine Möglichkeit erhalten, zu arbeiten oder eine Ausbildung zu beginnen

Von Peter Bierl

Handfeste Auseinandersetzungen in der Flüchtlingsunterkunft beim Brucker Fliegerhorst gehören längst zum Alltag und man muss annehmen, dass die bayerische Staatsregierung solche in Kauf nimmt. Dafür sind drei Motive ausschlaggebend: Die CSU-Führung setzt auf Abschreckung, damit nicht noch mehr Flüchtlinge kommen, die Pull-Faktoren nicht verstärken, nennt es Landrat Thomas Karmasin (CSU). Ließe man Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive arbeiten, könnten sie sich integrieren und Kontakte knüpfen, am Ende rebellieren Schulklassen und Sportvereine gegen Abschiebungen. Und nicht zuletzt will die CSU im Wahlkampf gegenüber dem für rassistische Parolen anfälligen Teil der Bevölkerung den harten Hund markieren.

Das wird ausgetragen auf dem Rücken der Flüchtlinge. Experten hatten von Anfang an davor gewarnt, so viele Menschen über Monate und Jahre auf engstem Raum ohne Perspektive zusammenzupferchen. Viele sind ohnehin traumatisiert von dem, was sie erlebt haben. Und wenn nachts die Polizei kommt, um Menschen abzuholen, sind alle aufgeschreckt und verängstigt. Die Folge solcher Zustände sind Frust, Alkohol und Gewalt.

Die Frage, ob die Belegschaft in Bezug auf ihre Staatsangehörigkeiten besser homogen oder heterogen ist, darf als eher nebensächlich gelten. Sicher kann man sagen, dass es von Vorteil ist, wenn nicht lauter Landsleute zusammenglucken; aber ob im Alltag die Verständigung etwa über die Badbenutzung an Sprachbarrieren scheitert oder im Gegenteil an der gemeinsamen Sprache, kommt eher auf den Einzelfall an. Bezeichnend ist aber schon, dass es erst seitens der Behörden hieß, homogene Belegschaften machten weniger Ärger, und jetzt eine heterogene Zusammensetzung favorisiert wird, um eine Solidarisierung zu erschweren.

Was wirklich Not tut, sind kleinere Unterkünfte, die Möglichkeit, eine Ausbildung oder Arbeit zu beginnen, und eine Perspektive für die Zukunft. Politiker täten gut daran, auf jene Asylhelfer zu hören, die dafür immer wieder werben und auf die Straße gehen, wie zuletzt Hunderte in Bruck im September.

© SZ vom 24.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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