Kommentar:Pauschal mit der Gießkanne

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Auch die Kloster-Tenne in Fürstenfeld wird in diesem Jahr nicht vorweihnachtlich erstrahlen (Foto: Johannes Simon)

Es stellt sich die Frage, ob man Geimpften entgegen aller Zusicherungen nicht auch in der aktuellen Situation eine winzige Brücke zu einem Stück Normalität bauen und Ungeimpften, die nicht hereindürfen, vielleicht damit einen weiteren kleinen Denkanstoß geben sollte

Kommentar von Stefan Salger

Der Ministerpräsident hat ein Machtwort gesprochen und Christkindlmärkte untersagt. Damit ist auch der "Advent in Fürstenfeld" vom Tisch. Das ist zwar eher ein Kunsthandwerksmarkt, aber Weihnachtslieder werden dort auch gesungen und es gibt Tannenbäumchen und eine Sternendeko. Söders Entscheidung gilt pauschal, ohne Differenzierung für Bayern, obwohl doch gerade Regelungen mit der Gießkanne ersetzt werden sollten durch wirkungsvolle und passgenaue Lösungen.

Mehr Mühe hat sich am Donnerstag der Fürstenfeldbrucker Kulturausschusses gemacht. Nach reiflicher Überlegung hat er mit großer Mehrheit eine mutige Entscheidung getroffen und die Veranstaltung auf dem Klostergelände befürwortet. Dies mitten in dem anschwellenden Corona-Sturm und wohl wissend, dass die Intensivstationen bald am Limit sind. Natürlich ist den Politikern auch klar, dass alle mithelfen müssen, um diese Pandemie zu bewältigen.

Und doch war das Votum nachvollziehbar. Das zeigt der Blick aufs Hygienekonzept. Verstreut über ein großes, umzäuntes Gelände verteilte Stände, Besucherlisten sowie Zugangskontrollen und Maskenpflicht. Vor allem: 2-G oder sogar 2-G-plus. Ob das ein wirtschaftlicher Erfolg für die gebeutelten Aussteller hätte werden können, ist fraglich. Mehr Einschränkung und Sicherheit jedenfalls für alle Beteiligten gibt es im realen Leben kaum. Denn es hätten nur Genesene oder Geimpfte Zutritt gehabt, die zusätzlich wohl noch einen Schnelltest hätten vorlegen und drinnen Mundschutz tragen müssen. Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist das Risiko, sich oder andere unter diesen Bedingungen anzustecken, nahe null. Vor allem stellt sich die Frage, ob man Geimpften entgegen aller Zusicherungen nicht auch in der aktuellen Situation eine winzige Brücke zu einem Stück Normalität bauen und Ungeimpften, die nicht hereindürfen, vielleicht damit einen weiteren kleinen Denkanstoß geben sollte.

Jenseits aller Symbolik ein paar Fragen: Was machen Menschen, denen sogar alle bereits streng reglementierten öffentlichen Veranstaltungen genommen werden? Könnte es sein, dass sie sich dann eben - völlig unreglementiert - mit Freunden treffen, deren Impfstatus ungewiss ist, in mäßig gelüfteten Räumen und ohne Mundschutz? Und wäre als Ultima Ratio nicht doch eine Impfpflicht für alle besser als ein De-facto-Lockdown für alle und ohne Ende?

© SZ vom 20.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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