Kommentar:Öffentlicher Streit statt Kuschelzone

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Dass der Puchheimer Stadtrat den FDP-Abgeordneten Martin Koch rügt, ist formal richtig. Dennoch sollte sein Vorstoß den anderen zu denken geben

von Peter Bierl

Das Arkanum sucht sich immer seinen Raum, lautet eine Erkenntnis der Politikwissenschaft. Soll heißen, wer etwas unter Ausschluss der Öffentlichkeit aushandeln will, findet einen Weg. Hingegen sind Stadt- und Gemeinderäte als Gremien der Öffentlichkeit verpflichtet. Hinter verschlossenen Türen darf nur beraten und beschlossen werden, wenn es um Sicherheit und Ordnung, Personalangelegenheiten, Prozesstaktik, vor allem aber um Geschäfte und Geschäftspartner und dergleichen geht. In der Gemeindeordnung nicht erwähnt, aber weit verbreitet sind nichtöffentliche Fraktionssprecherrunden. Womit man wieder beim Arkanum angelangt wäre, das sich einen Platz schafft, was mitunter ja weder falsch noch anrüchig sein kann.

Der Puchheimer FDP-Stadtrat Martin Koch bekam nun eine Rüge, weil er Unterlagen aus nichtöffentlicher Sitzung, einer Klausur, wie es so schön heißt, veröffentlicht hat. Der Verweis ist völlig legal, die Vorwürfe berechtigt, denn jeder Mandatsträger ist der Verschwiegenheitspflicht unterworfen und darf sich nicht darüber hinwegsetzen, selbst wenn alle anderen illegal gehandelt haben, in dem sie die Grenzen für Nichtöffentlichkeit überschritten haben, wie in diesem Fall.

Die Rüge könnte sich der FDP-Politiker demnach als Orden an die Brust heften, als Vorkämpfer für Transparenz. Denn Debatten über Stadtentwicklung und die künftige Gestaltung eines Neubaugebietes sind öffentlich zu führen. Wenn ein Kommunalpolitiker sechsstöckige Häuser bauen möchte, muss er oder sie eben dazu stehen, auch wenn ihn dann nicht mehr alle lieb haben. Einen geschützten Raum, wo man "kreative Ideen" einbringen und "dumme Fragen" stellen kann, kennt die bayerische Gemeindeordnung nicht.

Denn ein Stadtrat ist weder eine Selbsthilfe- noch eine Awareness-Gruppe, sondern ein politisches Gremium. Der Meinungsbildungsprozess mag noch so kompliziert, gar verworren oder schmerzhaft sein, er ist grundsätzlich öffentlich oder sollte es zumindest sein. Den Bürgern sollen nicht bloß geschliffene Ergebnisse verkündet werden, sie sollen wissen, wer welche Positionen vertritt. Auch wenn es nach Jahren der Allparteien-Koalition in Puchheim nicht mehr ganz geläufig sein sollte: Demokratie bedeutet öffentlich ausgetragener Streit um verschiedene Interessen und Perspektiven - und keine Kuschelecke.

© SZ vom 20.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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