Kommentar:Oberbürgermeister als Zuschauer

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In der Auseinandersetzung mit dem Innenministerium wegen der Erstaufnahme am Fliegerhorst hat Oberbürgermeister Erich Raff unglücklich agiert. Der CSU-Fraktionschef hat deshalb die Sache in die Hand genommen

Von Stefan Salger

Es sieht auf den ersten Blick nach einer Demontage eines Oberbürgermeisters und einer schallenden Ohrfeige aus: Der Kompromiss zur Asylerstaufnahmestelle Fürstenfeldbruck, auf den sich Innenministerium, Stadt, Landkreis und alle Stadtratsfraktionen nun geeinigt haben, ist nicht von Erich Raff (CSU) ausgehandelt worden, sondern vom CSU-Fraktionsvorsitzenden Andreas Lohde. In mühevoller Kleinarbeit wurde E-Mail um E-Mail geschrieben, bevor weißer Rauch aufstieg und auch alle Fraktionsvorsitzenden ins Boot geholt worden waren. Zur Erinnerung: Vor einigen Wochen hatte Raff als einziger gegen den Beschluss des Stadtrats gestimmt, ein ohne Absprache mit dem Innenminister ausgehandeltes Kompromisspapier abzulehnen und auf den eigenen Forderungen zu beharren. Die Stadträte fühlten sich von Raff übergangen.

Am Dienstag im Stadtrat nun gab es Lob aus allen Ecken für Lohde. Sogar die Grünen und die Fraktion Die Partei und Frei, die mit der CSU oft über Kreuz liegen, würdigten dessen Leistung und setzten ihm den Lorbeerkranz auf, während Oberbürgermeister Erich Raff mit versteinerter Miene zuhörte. Er hat nach eigenem Bekunden von den Details des Elf-Punkte-Papiers erst am Morgen der Sitzung erfahren.

Auf den zweiten Blick gehört aber auch zur Wahrheit, dass Raff die Lösung nicht blockiert und auf sein Verhandlungsmandat gepocht hat, was viele an seiner Stelle aus Eitelkeit wohl getan hätten. Um in der Sache weiterzukommen, hat er den Gesichtsverlust hingenommen. Und es gehört ebenfalls zur Wahrheit, dass Raff gemeinsam mit Joachim Herrmann bereits wesentliche Punkte ausverhandelt hatte, bevor ihn der Stadtrat inklusive CSU-Fraktion krachend auflaufen ließ. Letztlich hat sich Raff in der verfahrenen Situation pragmatisch verhalten, um das Thema Erstaufnahmestelle endlich vom Tisch zu bekommen.

Der aktuelle Fortschritt freilich ändert nichts am chronisch zerrütteten Verhältnis. Sollten Oberbürgermeister und Stadträte nicht zu einer gemeinsamen Basis zurückfinden, dürften wichtige Projekte bis zum Ende der regulären Amtszeit von Raff im Mai 2023 kaum vorankommen.

© SZ vom 26.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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