Kommentar:Nur eine halbe Sache

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Eine Studie prognostiziert dem Landkreis ein kräftiges Einwohnerwachstum, lässt die Politiker mit der Bewältigung aber alleine

Von Gerhard Eisenkolb

Wer sich die Mühe macht, den diese Woche präsentierten 233-seitigen Schlussbericht zur räumlichen Entwicklungsstrategie 2040 für den Landkreis aus dem Internet herunterzuladen und zu lesen, dem kann es ergehen wie Goethes Faust. Er könnte wie der Universalgelehrte zum Schluss kommen: "Da steh' ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!" Es werden hohe Erwartungen geweckt, letztlich bleiben die Autoren aber die Antwort schuldig, wie selbst willige Kommunalpolitiker mit dem gerühmten Orientierungsrahmen und Handlungsleitfaden arbeiten sollen.

So enthalten die Tipps viele Selbstverständlichkeiten wie die, die Ortsdurchfahrten aufzuwerten, die Mobilität ortsverträglich zu gestalten, das Autofahren möglichst unattraktiv zu machen, eine Vielfalt an Wohnformen zu schaffen oder den öffentlichen Raum aufzuwerten, den Landschaftsraum zu bewahren und die weitere Versiegelung großer Flächen zu vermeiden. Weil es an positiven Beispielen fehlt, sind die Entscheider mit dem Problem allein gelassen, wie sie das umsetzen sollen. Das birgt die Gefahr, dass die mehrere Hunderttausend Euro teure Studie, wie viele andere Gutachten auch, irgendwann in Ablagen verstaubt. Das gilt es zu verhindern. Schließlich geht es um die Frage, ob der gemeinsame Lebensraum von 215 000 Menschen lebenswert bleibt. Ein wichtigeres Projekt gibt es nicht. Politiker, die anders planen wollen, erfahren nicht konkret genug, wie sie's besser machen könnten. Stattdessen sind zu viele Textbausteine ohne jeglichen Landkreisbezug zu finden, wie sie in beliebigen Fachtexten für Städteplaner stehen.

Deshalb genügt es nicht, wie Landrat Thomas Karmasin zu sagen, der Ball, den Landkreis in seinen Qualitäten zu bewahren und das Wachstum entsprechend zu steuern, liege nun bei den Kommunen. Da lag er schon vorher. Soll die Studie zu dem Leitfaden werden, der die Stadt- und Gemeinderäte dazu anleitet, wie sie bis zum Jahr 2040 einen Bevölkerungszuwachs um ein Viertel oder etwa 50 000 Menschen verkraften, muss es konkrete Leitbilder geben, wie das möglich ist. Also gelungene Beispiele, die aufzeigen, wie andernorts die Fragen und Probleme gelöst wurden, mit denen die Landkreiskommunen konfrontiert sind. Sonst läuft alles auf eingefahrenen Gleisen weiter. Dass weiter gebaut wird, können Kommunalpolitiker sowieso nicht verhindern, auch weil ein Stillstand fatal wäre und zudem noch zu viel unausgeschöpftes Baurecht besteht. Bleibt also nur die Möglichkeit, an der Studie weiterzuarbeiten und in einem zweiten Schritt bessere Alternativen aufzuzeigen. Prädestiniert für diese Aufgabe ist die Bauabteilung im Landratsamt.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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