Kommentar:Neues Blut für Volksparteien

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Politikverdrossenheit scheint überwunden. Das legt die ungewöhnlich hohe Zahl an Parteieintritte nahe

Von Andreas Ostermeier

Die Volksparteien sind tot. So stand und steht es in vielen Kommentaren. Und die Wahlergebnisse der vergangenen Jahre scheinen diese Aussage auch zu bestätigen. Vor allem CDU, CSU und SPD haben Stimmen eingebüßt. Auch außerhalb Deutschlands wird die Gefolgschaft der Volksparteien links und rechts der Mitte kleiner. Die einstmals großen Parteien sind in der Krise. Aber sind sie wirklich tot?

Die Diagnose ist offensichtlich vorschnell. Denn die Parteien, vor allem auch die großen, verzeichnen seit einiger Zeit außerordentlich viele Neueintritte. Vor allem junge Leute interessieren sich wieder für Parteipolitik. Auch im Landkreis. Größten Zulauf hier und anderswo hat ausgerechnet die SPD, jene Partei also, der das Totenglöckchen am häufigsten geläutet wird. Heuer und auch schon im vergangenen Jahr haben die Sozialdemokraten ihre Mitgliederzahl steigern können, viele Jahre lang gab es nur einen Abwärtstrend. Mittlerweile legen auch die anderen Parteien zu, was die Mitgliederzahl angeht.

Den Parteienkritikern ist das ein Mirakel. Einen Reim können sie sich bislang darauf nicht machen. Doch der Eintritt in eine Partei ist in einer parlamentarischen Demokratie immer noch der beste Weg, um politisch mitzubestimmen. Und politisch mitbestimmen, das wollen offensichtlich wieder mehr Menschen als in den vergangenen Jahren. Zu den Gründen dafür gibt es keine wissenschaftliche Untersuchung. Man muss deshalb ein wenig spekulieren. Die erste Eintrittswelle kam nach der Entscheidung der Briten für den Brexit, die zweite nach dem Einzug der AfD in den Bundestag. Offensichtlich merken vor allem auch junge Leute, dass die Welt in der sie aufgewachsen sind, sich verändert. Freiheiten und Vorteile, die Europa bietet, sind ebenso gefährdet wie die Liberalität in unserem Land. Die Erfolge von Nationalisten und Anhängern autoritärer Regime bewegen offensichtlich eine größere Zahl politisch Interessierter, sich vor allem für die kleinen und großen Parteien zu engagieren, die den freiheitlichen Rechtsstaat aufgebaut haben und bis heute repräsentieren.

© SZ vom 04.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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