Kommentar:Mehr Chancen für Frauen

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Das Erwerbsleben muss sich von der Norm des männlichen allzeit verfügbaren Arbeitnehmers verabschieden

Von Heike A. Batzer

Ja, die Zeiten sind schnelllebig. Um gut informiert und beruflich am Ball zu bleiben, muss man sein Wissen stets aktualisieren. Lebenslanges Lernen ist gefragt. Doch nicht in allen Phasen des Lebens hat man genügend Zeit dafür. Frauen wissen das. Sie sind diejenigen, die Brüche in ihren Biografien haben, weil sie Kinder bekommen und sich in der Folge zumeist zuvorderst um diese Kinder kümmern. Manches verkümmert dabei, berufliches Wissen, berufliche Erfahrung, Selbstbewusstsein.

Inzwischen gibt es viele Angebote für Frauen, sich Hilfe zu holen, um nach einer Familienpause wieder wettbewerbsfähig zu werden und sich auf dem Arbeitsmarkt zu präsentieren. Auch Aktionstage, wie sie bereits in Germering stattfanden und kürzlich in Fürstenfeldbruck, können Anstoß sein für Frauen, die vielfach bestens ausgebildet sind und nun in den Beruf zurückkehren oder etwas Neues anpacken wollen.

Damit es jedoch nicht im jetzigen Tempo weitergeht und noch 202 Jahre bis zur Gleichstellung am Arbeitsplatz dauert (das hat das Weltwirtschaftsforum ausgerechnet), muss sich das Erwerbsleben von der Norm des männlichen allzeit verfügbaren Arbeitnehmers verabschieden. Es gilt, flexible Arbeitszeitmodelle auszubauen, Arbeit im Homeoffice, Vertrauensarbeitszeit. Es muss selbstverständlich werden, dass Frauen mit Kindern arbeiten oder dass sich Phasen von Erwerbsarbeit und Kindererziehung abwechseln, ohne dass sich die Protagonisten für alle Zeit auf einen der beiden Bereiche festlegen müssen. Berufstätige Familienfrauen bringen in der Familienzeit erworbene Organisationsfähigkeiten, soziale Fähigkeiten und Erfahrungen mit, die jedes Unternehmen gut gebrauchen kann und die deshalb eine Empfehlung für ihr Berufsleben anstatt eine Bremse sein sollten. Dass es geht, zeigen jene Unternehmen, die sich beim Aktionstag zum beruflichen Wiedereinstieg im Landratsamt präsentiert haben.

Eines aber können sie nicht ersetzen: den nötigen Mentalitätswandel in der Gesellschaft. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss vom Lippenbekenntnis zur Selbstverständlichkeit werden. Auch in den Familien selbst. Damit Frauen mehr Beruf wagen können, müssen die Männer zu Hause mehr Aufgaben übernehmen. Freilich muss auch der Staat über Elternzeit und -geld hinaus seinen Beitrag leisten und Hürden abbauen. Dazu gehört, das in den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts eingeführte Ehegattensplitting, das berufstätige Frauen steuerlich massiv benachteiligt, als unzeitgemäß abzuschaffen.

© SZ vom 29.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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