Kommentar:Höchste Zeit, sich zu bewegen

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Das Stadtradeln bringt kaum wirklichen Umweltschutz. Dazu müsste beispielsweise konsequent aufs Auto verzichtet werden

Von Peter Bierl

Jeder Klimabericht, große Versicherungsgesellschaften und nun auch Papst Franziskus warnen vor den ökologischen Katastrophen, die uns bevorstehen. Das können Tornados sein, die in Sekunden ganze Dörfer verwüsteten wie unlängst in der Oberpfalz und im nahen Schwaben, oder Erosion, Trockenheit und Überschwemmungen, durch die fruchtbarer Boden verloren geht. Ein großer Teil der Flüchtlinge ist hier, weil in ihrer Heimat die Lebensgrundlagen zerstört werden. Die Zusammenhänge sind längst bekannt. Über vier Jahrzehnte ist es her, dass der Bericht über die Grenzen des Wachstums veröffentlicht wurde. Jeder kann wissen, dass unsere Reise in den Abgrund führt.

Das ist der Maßstab, an dem sich jede Handlung im Namen des Umweltschutzes messen lassen muss, auch die Kampagne Stadtradeln. Im Prinzip ist es eine gute Sache, weil Fahrradfahren sinnvoll und umweltfreundlich ist. Bloß wenn am Ende jeder gemeldete Kilometer in eingespartes Kohlendioxid umgerechnet und als Erfolg gepriesen wird, ist das eine Mogelpackung. Schon die von Bürgermeistern geführten Touren in Biergärten wären nie mit Autos zurückgelegt worden, und kein einziger Teilnehmer im Landkreis gibt sein Auto ab. Die Kommunen haben diese Kategorie "Stadtradler-Star" nicht einmal beworben.

Damit wird Stadtradeln wie so vieles zu einer Ersatzhandlung, die darüber hinwegtäuscht, dass zu wenig passiert. Die Energiewende im Landkreis ist nicht, wie beschlossen, bis 2030 zu schaffen, auch weil von CSU-Hardlinern gesteuerte Wutbürger etliche Windräder sabotiert haben. Die Investitionen mancher Kommunen im Bereich der Wärmedämmung und des Energiemanagements mögen vorbildlich sein. Aber ihr Anteil am Energieverbrauch ist minimal, in Puchheim liegt er bei etwa zwei Prozent. Obendrein führen Projekte, die auf höhere Effizienz zielen, bloß dazu, dass der Gesamtverbrauch etwas weniger steigt, aber nicht sinkt. Der Ausbau des Schienenverkehrs als umweltfreundlichere Form des Massentransports wird verschleppt, siehe den versprochenen Ausbau der S 4.

Umweltschutz findet derzeit nur statt, wenn irgendwo die Wirtschaft ordentlich kriselt und die Wachstumskurve einbricht, dann aber um den Preis von Armut und Verzweiflung. Es ist höchste Zeit, wirklich etwas zu bewegen.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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