Kommentar:Eine Lösung mit Charme

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Die Differenzierung des Unterrichts hat Auswirkungen auf die Gymnasien. Manche sind überfüllt, andere halb leer

Von Heike A. Batzer

Früher war das so: Wenn man den erforderlichen Notenschnitt geschafft hatte, dann ging man auf das nächstliegende Gymnasium oder die nächstliegende Realschule. Heute steht vor der Entscheidung ein wahrer Informationsmarathon. Eltern besuchen Infoabende und Schnuppernachmittage, um sich ein möglichst umfassendes Bild von der potenziellen Schule ihrer Kinder zu machen. Die Schulen selbst werben mit einer Vielzahl an Ausbildungsrichtungen, Sprachenfolgen, Wahlkursen, Wettbewerben, Zertifikaten für sich und ihr Profil. Und die Städte und Landkreise haben als Sachaufwandsträger bisweilen Mühe, den im allgemeinen Bildungshunger steigenden Andrang an die weiterführenden Schulen zu kanalisieren und die entsprechende Infrastruktur auch zu finanzieren.

Zu allem Überfluss erfinden auch noch Landespolitiker immer neue Varianten für den Schulbetrieb. Die Mittelstufe plus zum Beispiel, die, vereinfacht gesagt, ein altes G 9 ist, ein Gymnasium in neun Jahren also, das es bislang nur als Schulversuch in Puchheim gibt. Je differenzierter aber das Angebot an den einzelnen Schulen ist, desto größer wird auch der Organisationsaufwand und desto vielfältiger werden sich die Schüler künftig über die einzelnen Gymnasien und Realschulen verteilen. Das Ortsprinzip gilt dann im Extremfall nicht mehr.

Das bekommt der Landkreis jetzt erstmals exemplarisch in der Stadt Fürstenfeldbruck zu spüren, wo an einem Gymnasium die Anmeldezahlen deutlich zurückgehen, am anderen weiter ansteigen. Das wird zu einer Grundsatzdebatte darüber führen müssen, wie man die Zukunft der weiterführenden Schulen angesichts dieser Voraussetzungen gestalten möchte. Die Lösung, den Schulen eine Selbstentwicklung zuzugestehen, hat dabei den größten Charme. Denn wer sagt denn, dass alle weiterführenden Schulen in etwa gleich groß sein müssen? Könnte es nicht unterschiedlichen Interessen entsprechen, wenn es auch unter den Gymnasien und Realschulen zahlenmäßig größere und kleinere gibt? Im aktuellen Fall des Graf-Rasso-Gymnasiums könnte es ohnehin einen lachenden Dritten geben: Über die am Gymnasium nicht benötigten Räume könnte sich die überfüllte Fach- und Berufsoberschule nebenan freuen.

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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