Kommentar:Gleichmacherei statt Gerechtigkeit

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Bei der Kita-Finanzierung stehlen sich Puchheims Politiker aus der Verantwortung

Von Peter Bierl

Gerechtigkeit ist ein großes Wort und meint, dass alle kriegen, was ihnen zusteht. Was das ist, darüber freilich lässt sich trefflich streiten. In Puchheim will der Stadtrat fortan alle Kindertagesstätten gleich behandeln, in dem er Defizite, Nebenkosten und einen Teil der Ausstattung nicht mehr bezahlt. Die Kommunalpolitiker preisen damit ein Streichkonzert als gerecht und transparent, das in Wirklichkeit Gleichmacherei bedeutet, die Einrichtungen mit unterschiedlichen Problemen und Konzepten nicht gerecht wird.

In Puchheim leben, abgesehen von der Mittelschicht, die den Stadtrat dominiert, viele Menschen mit geringem Einkommen und Leute, die ihre Miete kaum bezahlen können, Alleinerziehende und Paare, in denen beide Partner arbeiten gehen müssen, damit es einigermaßen reicht. Dazu gibt es Sozialhilfeempfänger, Migranten und Flüchtlinge, die wenig Geld haben. Die Kinder all dieser Menschen brauchen eine umfassende und qualifizierte Kinderbetreuung. Eine Erhöhung der Gebühren, wie sie sich jetzt abzeichnet, wird in erster Linie sie treffen. Zumal es im Unterschied zu Germering keine soziale Staffelung gibt.

Mag sein, dass einige Häuser schlecht wirtschaften, aber es ist nicht gerecht, alle dafür zu belangen. Gerecht wäre, sich mit diesen Einrichtungen konkret auseinanderzusetzen, Ursachen zu klären und Maßnahmen zu vereinbaren. Fragwürdig ist ein Qualitätsfonds für besondere pädagogische Maßnahmen einzelner Kitas. Sind die honorierten Aktivitäten sinnvoll, muss man sich fragen, warum sie nicht allen Kindern zuteil werden und nicht längst zum Standard gehören?

Unterm Strich bleibt der Eindruck, dass die reichste Stadt des Landkreises, die sich gerne mit dem Zertifikat "kinderfreundliche Kommune" schmückt und von einem SPD-Politiker geführt wird, an den Kindern spart und es jene aus ärmeren Verhältnissen besonders trifft. Erschreckend ist, dass es praktisch keinen Widerstand im Stadtrat gibt, sondern sich fünf Parteien und Wählergruppen einig sind. Die Verantwortung für die absehbaren Gebührenerhöhungen reichen die Stadträte sicher gerne an die Träger weiter. Vermutlich halten sie das für eine Form von höherer Gerechtigkeit.

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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