Kommentar:Gegen die Verschwendung

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Die Vernichtung von Lebensmitteln ist ärgerlich. Der Prozess gegen die zwei Studentinnen sollte auch Anlass für eine politische Diskussion sein

Von Erich C. Setzwein

Der Berg von Semmeln, Brezen und Broten ist kaum vorstellbar. 1,7 Millionen Tonnen Brot und Backwaren werden nach Schätzung der Umweltstiftung WWF in Deutschland weggeworfen. Jedes Jahr. Eine Riesenverschwendung. Von Rohstoffen, von Wasser, von Anbaufläche. Da hilft es auch nichts, dass altbackenes Brot als Tierfutter dient und die eine oder andere Schwarzwälder Kirschtorte in der Biogasanlage landet. Insgesamt sollen es in Deutschland jährlich bis zu 15 Millionen Tonnen Lebensmittel sein, die nicht verkauft, sondern vernichtet werden. Wenn sich dann jemand etwas nimmt von dem "Müll", kommt er wegen Diebstahls vor Gericht.

Diebstahl ist und bleibt eine Straftat und gehört verfolgt. Niemand sollte Lebensmittel stehlen, egal ob er sie im Laden mitgehen lässt oder aus einer Tonne davor herausnimmt. Sich damit herauszureden, dass es doch schon Müll sei, der da in den Container liege, macht die Sache nicht besser. Doch mit dem Strafrecht allein wir man da nicht weiterkommen. Es gilt, eine moralische Variante zu bedenken. Und dann ist da noch die politische Seite.

Wenn nämlich etwas weggeworfen wird, hat das unter anderem auch mit den vielen und für viele verwirrenden oder anscheinend unlogischen Gesetzen zu tun, die in der Lebensmittelproduktion und dem Handel gelten. Es ist natürlich im Sinne des Verbrauchers, wenn er vergammelten Salat und schlecht gewordenen Fisch nicht mehr bekommt. Aber ist es in seinem Sinne, dass immer zu viel vorrätig ist? Die "Mülltaucher" machen zu Recht darauf aufmerksam, dass das Problem sowohl bei den Produzenten, als auch bei den Kunden liegt. Es ist schon so: Wer abends um sechs Uhr als letzter Kunde noch eine warme Breze verlangt, der treibt diesen Kreislauf mit an. Denn eine einzelne Breze wird nicht gebacken, und nach dem letzten Kunden bleiben eben auf dem Backblech elf Brezen übrig.

© SZ vom 09.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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