Kommentar:Gefährliche Exotik

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Eine partei-unabhängige Vereinigung hat einen Kandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt. Das ist kein Problem, die dahinter stehende Haltung aber schon

Von Peter Bierl

Zur Bundestagswahl im Herbst wird im Wahlkreis Fürstenfeldbruck-Dachau ein unabhängiger Bewerber um das Direktmandat kämpfen. Nach Lage der Dinge drohen keine Weimarer Verhältnisse durch politische Zersplitterung, sondern Bürger nutzen ihre Möglichkeiten im Rahmen des Wahlrechts. Es ist auch nicht die erste solche Kandidatur. Erinnert sei an Volker Baumgärtls skurrile Auftritte; er forderte das Aufschütten einer Pyramide, um Erwerbslose zu beschäftigen, oder wollte die Größe von Fußballtoren ändern. Raimund Acker nutzte die Bewerbung als Forum für das Grundeinkommen.

Bei den "Vereinigten Direktkandidaten" liegt der Fall anders. Es handelt sich um eine bundesweite Initiative, zumindest dem Anspruch nach. Vor allem aber pflegt diese Gruppierung die technokratische Ideologie der Ideologielosigkeit. Die Initiatoren meinen, rein sach- und faktenorientierte Politik sei möglich. Zudem wähnen sie das Volk einer abgehobenen Parteienherrschaft unterworfen. Sie berufen sich auf Volkes Wille, aber der Abgeordnete soll nur seinem Gewissen verpflichtet sein. Was, wenn beides in Widerspruch gerät? Und wer ermittelt den Volkswillen? Vor allem, was soll das sein, in einer Gesellschaft, deren soziale Gegensätze sich obendrein wieder verschärfen?

In einem pluralistischen System mit demokratischem Anspruch schließen sich Gruppen mit unterschiedlichen Interessen und Perspektiven zusammen und ringen um Einfluss und Macht. Dabei verfügen nicht alle über die gleichen Möglichkeiten, grundlegende Strukturen sind tabu und die Ergebnisse müssen einem nicht gefallen. Es wird aber nicht besser durch die Berufung auf einen ominösen Volkswillen, den es bloß zu vollstrecken gelte. Das ist Populismus in Reinform. Damit werden autoritäre Systeme befördert. Die "Vereinigten Direktkandidaten" mögen eine Randerscheinung sein, wie die Esoterik-Partei "Die Violetten", die auch schon mal im Brucker Land angetreten ist. Dennoch muss man diese politische Haltung ernst nehmen, weil sie schon all zu weit verbreitet ist.

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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