Kommentar:Gefährdeter Berufsstand

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Industrie ist gegenüber den Handwerksbäckern im Vorteil

Von Erich C. Setzwein

Es soll Menschen geben, die ihren Besuch in München damit beginnen, bei Manufactum in der Dienerstraße den Duft frisch gebackenen Brotes zu schnuppern. Dabei müssten die Genießer nicht extra in die Stadt fahren, wenn sie auch im Landkreis dieses sinnliche Erlebnis bekämen. Doch beim Backshop vor der Supermarktkasse strömt höchstens säuerlicher Dampf aus dem Ofen, und den Backautomaten im Discounter fehlt ohnehin jeglicher Reiz. Im Landkreis existieren immerhin noch 14 Betriebe, die der Bäckerinnung angehören und die die seit 2014 als Weltkulturerbe geltende deutsche Brotkultur hochhalten.

Dass die Innungsmitglieder jedes Jahr ein wenig lauter jammern über das Ausbleiben der Lehrlinge, über die weiter steigenden Rohstoffpreise und die wachsende Konkurrenz der Brotindustrie wird an der Entwicklung nichts ändern, dass die Bäcker zu einem gefährdeten Berufsstand gehören. Es zeichnet sich ab, dass es in einigen Jahren nur noch ganz wenige Handwerksbäcker geben wird, die für eine zahlungskräftige Kundschaft, die handwerkliche Arbeit wertschätzt und genießen will, jede Nacht in die Backstube gehen.

Der Bäckerberuf ist im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen unattraktiv, weil er einen anderen Lebensentwurf erfordert. Die Zeit für Freizeit, Freunde und Familie ist eingeschränkt, ein Bäcker ist ein Dauerschichtarbeiter. Die Backindustrie hat das erkannt, sie lässt viele Prozesse automatisiert über Nacht ablaufen, so dass die Arbeitsbedingungen für Angestellte dort erträglicher zu sein scheinen. Dazu kommt, dass die Industrie nicht nur bei den Personalkosten spart, sondern auch beim Rohstoffeinkauf in großen Mengen. Verantwortungsvolle Handwerksbäcker im Landkreis wollen qualitativ hochwertige Rohstoffe verarbeiten, die sie möglichst regional einkaufen. Und wer seinen Betrieb wirtschaftlich führen will und dabei noch alle Hygienevorschriften penibel einhalten muss, hat Kosten, die er an die Kunden weitergeben muss. Diese Ausgaben hat eine Tankstelle nicht, die nur die tiefgefrorenen Teiglinge mit Salz bestreuen und aufbacken muss. Duft und Genuss: egal.

© SZ vom 31.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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