Kommentar:Für die Tonne

Lesezeit: 1 min

Die Regelungen beim Abfall sind längst von der Realität überholt worden

Von Florian J. Haamann

Es ist mal wieder eine echte Posse. Nicht auf der Bühne, sondern im echten Leben. Da ist eine Familie, die viel dafür tut, um nachhaltig zu leben. Eltern, die ihren Kindern vorleben, dass man Müll vermeiden und bewusst einkaufen sollte. Damit die Welt auch für künftige Generationen von Mensch und Tier noch bewohnbar ist. In Zeiten, in denen die Themen Plastikmüll und Umweltzerstörung quasi omnipräsent sind und die Menschen von allen Seiten zur Nachhaltigkeit ermahnt werden, gebührt den Diechtierows aus Germering dafür folgerichtig eigentlich eine der vielen bunten Ehrennadel (aber bitte aus Metall und nicht aus Plastik), die die Kommunalpolitiker alljährlich mit viel Tamtam über die Landkreisbevölkerung streuen. Doch die Realität sieht anders aus. Statt bisher eine 40-Liter-Tonne soll die Familie eine 60-Liter-Tonne anschaffen und die, natürlich höheren, Gebühren dafür zahlen - inklusive einer Strafzahlung. Weil es die Vorschriften halt so vorsehen, wie es vom Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) heißt. Das ist grotesk.

Wenn offensichtlich veraltete Verordnungen den gesellschaftlichen Entwicklungen und Realitäten nicht mehr gerecht werden, dann liegt es am AWB, seine Satzung zu überarbeiten. Schließlich ist er Dienstleiter für die Landkreisbewohner und von ihnen bezahlt. Die Erklärung, man könne ja nicht jeden Haushalt überprüfen, wirkt wie Hohn, wenn man bedenkt, dass erst durch eine Kontrolle die "regelwidrige" Familientonne überhaupt bemerkt worden ist. Die Zeit, die die zuständige Sachbearbeiterin in den vierseitigen, mit Paragrafen, bürokratischem Kauderwelsch und Horrorszenarien ("Zustandsstörer", "unabsehbares Gefahrenpotenzial" "öffentliche Sicherheit") investiert hat, hätte sicher gereicht, um zehn Jahre lang ab und an die Tonne der Familie zu kontrollieren.

Da nicht zu erwarten ist, dass man beim AWB in diesem Fall vom kaiserzeitlichen Bürokratieverständnis abrückt, kann man nur darauf vertrauen, dass die Eltern ihren Kindern noch etwas vorleben: Gelassenheit und Größe.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: