Kommentar:Falsch verstandene Verkehrswende

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Der Bürgerprotest in Eichenau ist verständlich, die Mehrbelastung durch die Buslinie unzumutbar

Von Karl-Wilhelm Götte

Bürgermeister Peter Münster bekam stellvertretend für den gesamten Gemeinderat die Wucht des Anwohnerprotestes der Allinger Straße ab. Die Anlieger wehren sich vehement gegen die neue Buslinie 862, die von Dezember 2021 an durch ihre Straße geführt werden soll. Sich wehren funktioniert bei vielen Menschen auf Knopfdruck, wenn sie von einem vermeintlichen Ungemach in ihrer Idylle betroffen sind.

In diesem Fall ist die Sache jedoch anders zu bewerten. Die Anwohner sollen zukünftig täglich 112 Busfahrten von früh morgens bis nach Mitternacht durch ihre Wohnstraße aushalten. Somit fährt dann etwa alle zehn Minuten ein Bus durch die Allinger Straße. Diese Aussicht hat die Menschen dort kollektiv aufgebracht, weil sie in eineinhalb Jahren einen massiven und unverhältnismäßigen Busverkehr ertragen sollen. Wie konnte es zu so einer Fehleinschätzung des Gemeinderates kommen, der diese Linienführung einstimmig beschlossen hatte? Natürlich ging es diesem um die Entlastung der viel befahrenen Hauptstraße und darum, dass Autofahrer aus der Allinger Straße in den Bus umsteigen. Doch nach eigenen Beobachtungen der Anwohner sind es kaum 20 Autofahrer, die morgens oder abends zwischen Wohnung und S-Bahnhof pendeln. Der Zahl 200, von der der Gemeinderat ausgeht, widersprechen die Anlieger energisch. Sie selbst betrachten ihre Straße vorrangig als eine für Fußgänger und Fahrradfahrer, die von dort zum Eichenauer S-Bahnhof aufbrechen. Für sie ist damit ihr Beitrag zur Verkehrswende vollkommen ausreichend.

Bürgermeister Münster wirkte genauso überrascht wie beeindruckt ob dieses heftigen Bürgerprotestes. Doch das musste er nicht sein, denn der hat sich schon seit Monaten aufgebaut. Münster will den Protest nun mit einer Info-Veranstaltung einfangen. Das wird ihm kaum gelingen. Am Ende wird der Gemeinderat seine Entscheidung mit einiger Sicherheit revidieren, um den Dauerprotesten zu entgehen. Gespannt darf man sein, wie die sieben Gemeinderäte der Grünen bei der Revision des Beschlusses abstimmen werden. Mittlerweile sind sie zusammen mit der CSU stärkste Fraktion. Die angebliche Verkehrswende zum ÖPNV hat die Grünen, wie alle anderen Fraktionen auch, offenbar dafür blind gemacht, welche Belastungen Menschen durch 112 Busse täglich entstehen. Diese "Verkehrswende" verdient ihren Namen nicht.

© SZ vom 30.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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