Kommentar:Es geht nur miteinander

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Die Proteste der Bauern sind verständlich. Sie richten sich allerdings nicht gegen die Verursacher des Höfesterbens

von Ingrid Hügenell

Viele Bauern fürchten um ihre Existenz. Die Sorge ist begründet, das lässt sich an den Zahlen ablesen. 1988 gab es noch 1404 landwirtschaftliche Betriebe im Landkreis Fürstenfeldbruck. Bis 2019 hat nicht einmal die Hälfte der Höfe überlebt, es gab noch 613. Nur 45 Prozent dieser Landwirte können von der Landwirtschaft leben. Die Mehrheit braucht einen weiteren Beruf, um sich und ihre Familie ernähren zu können.

Proteste und Mahnkreuze sind nur allzu verständlich. Sie richten sich aber an die falsche Adresse, wenn gegen Umweltschutzmaßnahmen demonstriert wird. Die Bauern sollten gut hinschauen, wer wirklich die Interessen der bäuerlichen Landwirtschaft vertritt und sich für die Erhaltung der kleinen Familienbetriebe einsetzt. Ein Vertreter der Agrarchemie-Konzerne, mag er sich auch "Bauer" nennen, und die Klimawandel-Leugner von der AfD sind das sicher nicht. Ihnen sollten die Bauern nicht auf den Leim gehen.

Denn das Bauernsterben ist nicht durch die Umweltpolitik verursacht worden, sondern durch eine verfehlte Politik im Freistaat, im Bund und in der EU. Diese Politik ist maßgeblich vom Bauernverband mitbestimmt worden, mit dessen Ideologie "Wachse oder weiche". Sie hat dazu geführt, dass die meisten Bauern heute auf globalen Märkten agieren und sich die Preise von Konzernen und der Börse diktieren lassen müssen. Subventionen, die nach der Fläche bezahlt werden, begünstigen die Großbauern und benachteiligen die kleinen Familienbetriebe. Hinzu kommt im östlichen Landkreis die Verstädterung, die landwirtschaftlichen Grund sowie Höfe schluckt.

Unsere gesamte Lebens- und Wirtschaftsweise, auch die intensiv betriebene Landwirtschaft, hat das Ökosystem an den Rand des Kollaps gebracht. Davon sind die Landwirte zu allererst betroffen. Die Waldbesitzer kämpfen schon gegen die Folgen des Klimawandels. Nach zwei schlechten Ernten könnte es heuer eine dritte geben, die wegen Trockenheit und Hitze unterm Durchschnitt bleibt. Der CSU-Politiker Alois Glück hat Ende November in Fürstenfeldbruck über die "epochalen Umbrüche" gesprochen, die die Landwirtschaft werde bewältigen müssen. Er rief die Bauern auf, nicht zu jammern, sondern zu handeln. Glück hat recht. Nur gemeinsam können Landwirte und der Rest der Gesellschaft die Umwelt retten. Dazu ist es notwendig, dass die Landwirte ihre Produktionsweise umstellen. Die Gesellschaft muss bereit sein, entsprechende Anstrengungen zu honorieren. Dann geht beides zusammen: die Rettung der Umwelt und der bäuerlichen Landwirtschaft.

© SZ vom 23.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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