Kommentar:Dringendes Bedürfnis

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Am Germeringer Bahnhof gibt die Bahn wieder einmal ein schlechtes Bild ab

Von Andreas Ostermeier

Geht es darum, die Akzeptanz des öffentlichen Nahverkehrs zu verbessern, geht es meist um neue Linien, unterirdische Tunnel oder hochhausgroße Prestigebahnhöfe. Dabei wird übersehen, dass kleine Verbesserungen oftmals viel wichtiger wären, um Autofahrer zum Umsteigen auf Bahn und Bus zu bewegen. Beispielsweise ein Aufzug, der es Personen, die sich schwer tun mit dem Gehen oder die Koffer tragen, erleichtert, auf den Bahnsteig zu gelangen. Oder eine Toilette, die nötig werden kann, wenn Pendler mal wieder lange Zeit in der Kälte auf ihren Zug warten müssen.

Die Deutsche Bahn preist gerne ihre Initiativen, mit denen sie barrierefreie Bahnhöfe schaffen will. An vielen Bahnhöfen in München und in der Region hat sie in den vergangenen Jahren tatsächlich auch Bahnsteige so angeglichen, dass Rollstuhlfahrern oder Eltern mit Kinderwagen das Einsteigen in eine S-Bahn stufenlos gelingt. Auch Aufzüge wurden eingebaut. Doch immer noch gibt es etliche S-Bahnhaltestellen, an denen Fahrgäste ohne Erfolg nach einem Lift suchen. Und vielerorts sind die Toiletten abgebaut oder zugesperrt. Dabei gehören Orte, an denen man ein dringendes Bedürfnis befriedigen kann, ebenso zur Barrierefreiheit. Denn die soll ja dazu dienen, sich möglichst ungehindert in der Öffentlichkeit bewegen zu können.

Die Stadt Germering hat das erkannt. Zum zweiten Mal springt sie für die Bahn in die Bresche. Vor zwei Jahren hat sie einen Aufzug zum Bahnsteig bezahlt. Die Bahn wollte den Lift nicht auf eigene Kosten einbauen, weil sie bereits eine Rampe errichtet hatte. Freilich musste, wer die Rampe nutzen wollte, einen erheblichen Umweg auf sich nehmen. Zusätzliche Fahrgäste gewinnt die Bahn mit einer solchen Verweigerungshaltung nicht. Nun ist die Stadt bereit, Bau und Unterhalt einer WC-Anlage zu finanzieren. Der Bahn fällt zu diesem Thema nur ein, lediglich im Fernverkehr - und dann in den Zügen - Toiletten anbieten zu müssen. Wieder macht sie keine gute Figur, wieder gewährleistet die Stadt jene Barrierefreiheit, die man von einem Träger des öffentlichen Nahverkehrs erwartet.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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