Kommentar:Die Mär von der Gleichberechtigung

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Auch wenn Frauen in vielen Bereichen theoretisch gleichberechtigt sind, zeigt ein Blick in den Landkreis, dass die Realität oft anders aussieht.

Von Ekaterina Kel

Der 8. März steht in der Tradition des proletarischen Arbeitskampfes. Und obwohl der Internationale Frauentag seinen roten Stachel längst verloren hat, muss das, was ihm zugrunde liegt, weiterhin deutlich ausgesprochen werden: Die Forderung danach, das vermeintlich Selbstverständliche als Ungerechtigkeit zu entlarven - das Unsichtbare sichtbar zu machen.

Wenn in Fürstenfeldbruck, einer der reichsten Regionen Deutschlands, die Mehrzahl der Tafelgänger Rentner und Alleinerziehende sind und wenn man sich dann vor Augen führt, dass Frauen oft weniger Rente zur Verfügung steht und dass Alleinerziehende überwiegend Frauen sind, dann kann man sagen: Armut ist weiblich. Auch in Fürstenfeldbruck.

Angesichts der erdrückenden Bilanz des Vereins Frauen helfen Frauen ist es außerdem nötig, daran zu erinnern, wo Frauen nicht nur benachteiligt, sondern regelrecht bedroht sind. Wenn sich allein im Landkreis jedes Jahr aufs Neue etwa 600 Frauen an den Frauennotruf wenden, muss man sagen: Die physische und soziale Gewalt gegen Frauen ist ein schreiendes Problem. Politik, Justiz und Polizei dürfen sich noch nicht auf die Schulter klopfen. Gleiches gilt übrigens für die Zivilgesellschaft.

Es ist schön und wichtig, zu betonen, was alles im letzen Jahrhundert erreicht wurde. Übrigens: Männer, die Kinderwagen schieben und Wäsche waschen, gehören nicht auf die Liste der Errungenschaften - das nennt man einfach gute Erziehung und rationale Arbeitsteilung. Klar, Frauen dürfen in Deutschland seit 100 Jahren wählen und gewählt werden. Sie müssen, wenn sie arbeiten oder ein Konto eröffnen wollen, nicht mehr ihren Ehemann oder Vormund um Erlaubnis fragen. Was auf den ersten Blick wie Gleichberechtigung aussieht, lenkt aber ab von den unsichtbaren sozialen Ungleichheiten, die viel mehr Frauen als Männer treffen. Armut, Gewalt und viele Ungerechtigkeiten bestimmen immer noch das Leben vieler Frauen. Die Forderung nach tatsächlicher Gleichberechtigung darf deshalb noch lange nicht verklingen.

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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