Kommentar:Der Preis der Privatisierung

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Für die schleppenden Reperaturen und die Zustände der S-Bähnhofe ist neben der Staatsregierung vor allem die Privatisierung der Bahn verantwortlich. Denn wer profitabel sein muss, der vernachlässigt häufig den Service

Von Peter Bierl

Vier Bahnhöfe an der S 3 waren in diesem Sommer ohne Lift, teilweise wochenlang. Die Bilanz an der S 4 ist gleichfalls miserabel: Die Situation in Bruck mit nur einem Lift bleibt suboptimal, in Puchheim sollen einige Millionen erst noch versenkt werden, um diesen zweitklassigen Zustand neu herzustellen, in Grafrath will die Bahn AG gar nichts tun. Buchenau soll umgebaut werden, nach zähem Kampf des Behindertenbeirats. Von Barrierefreiheit, und damit einem wichtigen Teilaspekt der Inklusion, bleibt der Schienenverkehr im Landkreis noch weit entfernt. Schuld sind die Bahn AG und die bayerische Staatsregierung, die seit der Privatisierung der früheren Bundesbahn für den Regionalverkehr die Verantwortung trägt.

Dafür gibt es zwei Ursachen: Die CSU ist die Partei der Autoindustrie, wie man am Dieselabgasskandal sieht, der Ausbau des Schienenverkehrs verläuft schleppend, favorisiert werden Mammutprojekte wie Transrapid oder Zweite Stammstrecke. Zweitens: Die Privatisierung der Bahn, denn im Konkurrenzkampf muss man profitabel sein und expandieren. So fahren in London rote Doppeldeckerbusse mit dem DB-Logo und statt mehr Güter mit Zügen zu transportieren, verfügt die Aktiengesellschaft Bahn über eine Lastwagenflotte. Wertvolle Grundstücke, die für einen Ausbau des Schienennetzes gebraucht würden, werden verkauft. Das bringt Geld, nicht aber den Betrieb und Unterhalt von Aufzügen oder die Instandhaltung von Bahnhöfen.

Dass die Bahn AG wieder über einen eigenen Reparaturtrupp für Aufzüge samt Ersatzteillager verfügt, zeigt aber, dass das Unternehmen nicht unempfindlich gegen den Protest von Kunden und Bürger ist. Die Verschlankung auf die vermeintliche Kernkompetenz mag betriebswirtschaftlich gut sein, verschlechtert aber den Service. Grundsätzlich gilt, dass umweltfreundlichere Massenmobilität im 21. Jahrhundert nur als öffentliche Daseinsvorsorge funktionieren kann.

Die Freien Wähler können nun beweisen, dass sie anders als die FDP in einer Koalition mit der CSU mehr sind als deren Wurmfortsatz. Sie müssen einen viergleisigen Ausbau der S 4 und einen barrierefreien Umbau von Bahnhöfen sofort durchsetzen. Denn die Hürden treffen nicht nur Rollstuhlfahrer, sondern viele verschiedene Gruppen.

© SZ vom 22.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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