Kommentar:Der Mittelweg der Gröbenhüter

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Gröbenzell ist zwar noch jung, doch Erhaltenswertes gibt es auch hier. Darauf weisen die Gröbenhüter hin

Von Gerhard Eisenkolb

Zum Glück gibt es Vereine wie die Gröbenhüter, deren Mitglieder ein Gespür, ja einen siebten Sinn für das haben, was eine junge Nachkriegsgemeinde wie Gröbenzell prägt und ihr so etwas wie eine Seele einhaucht. Ein Ort wie die junge Gemeinde, in der die meisten Gebäude aus den Sechziger- und Siebzigerjahren stammen, verfügt nach dem allgemeinen Verständnis von Denkmalschutz über keine erhaltenswerten Gebäude. Wo es angeblich nichts Schönes, nichts Erhaltenswertes und damit auch nichts gibt, was das Lebensumfeld positiv prägt, darf all das dem Erdboden gleichgemacht werden, was die vorherige Generation schuf und was dem eigenen Expansionsdrang im Weg steht. Bei Preisen von bis zu 1200 Euro für den Quadratmeter Bauland gebietet es zudem eine zweifelhafte ökonomische Vernunft, das Baurecht auszuschöpfen. Wer hier als Grundeigentümer freiwillig auf den Reibach verzichtet, dem ist nicht zu helfen.

Welche Folgen dieses Handeln hat, ist - in der in absehbarer Zeit wohl ehemaligen Gartenstadt - in den für den Ort typischen Quartieren überall zu sehen. Die die erste Phase der Bebauung prägenden Siedlungshäuser verschwinden eines nach dem anderen. Um Platz zu schaffen für Häusergruppen oder Zwei- und Dreispänner mit einem winzigen Gartenanteil, der diesen Namen eigentlich nicht mehr verdient. Nach diesem Planungsprinzip, ein Entwicklungskonzept gibt es ja nicht, muss nun eben im Hauruckverfahren das komplette Rathaus Platz für den Nachfolgebau machen. Schließlich hat es seinen Zweck erfüllt und ist zudem nicht mehr zeitgemäß. Deshalb gibt es nur eine Lösung: Weg mit dem Gelumpe. In Gröbenzell stehen nicht etwa so wenig Gebäude unter Denkmalschutz, weil es nichts zu bewahren gäbe, sondern weil man sich des Wertes der einen oder anderen Villa nicht bewusst ist und man Auflagen des Denkmalschutzes scheut.

Genau gegen diese Haltung wehren sich die Gröbenhüter zu Recht. Zwischen den beiden Extremen, mit einem Totalabriss Tabula rasa zu machen und dem Stillstand oder dem Gefangensein im Überkommenen, gibt es einen Mittelweg: die Bewahrung eines Teils des Altbestands und damit der eigenen Identität in Verbindung mit der notwendigen Weiterentwicklung durch Neubauten. Das ist der Weg, den die Gröbenhüter vor dem Rathausneubau zumindest prüfen wollen, bevor Tatsachen geschaffen werden. Damit tun sie nur das, was die Gemeinde unter einem ungeheueren, selbst verschuldeten Zeitdruck leider versäumt hat.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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