Kommentar:Den guten Ruf verteidigt

Lesezeit: 1 min

Die Fürstenfeldbrucker haben auf einen unliebsamen Auftritt von Neonazis mustergültig reagiert

Von Christian Hufnagel

Natürlich konnte die Stadt den braunen Spuk nicht verhindern. Die Partei "Der dritte Weg" ist nicht verboten. Also konnten die Neonazis am Samstagnachmittag die Kreisstadt missbrauchen, um öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das deckt das Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Aber was die Mitglieder der Nachfolgevereinigung des inzwischen verbotenen "Freien Netzes Süd" übers Mikrofon hinausätzten, war nun wirklich gespenstisch und diesem Grundrecht alles andere als würdig. Die verbale Verunglimpfung von Flüchtlingen als schmutzende, feiernde und pöbelnde Eindringlinge geht über jedes Maß hinaus, das eine argumentative Auseinandersetzung zulässt. Und wer das Zehn-Punkte-Programm studiert, kann nur hoffen, das dieser "dritte Weg" alsbald in einer Sackgasse endet. National, revolutionär und sozialistisch sind die abgeschmackten Begriffe, die auch von diesem rechten Gesinnungsgut aufs Neue gefährlich vitalisiert werden wollen. Und die konkreten Ziele verfolgen Ungeheuerlichkeiten wie die Einführung der Todesstrafe, den sofortigen Stopp der Überfremdung und "die Wiederherstellung Gesamtdeutschlands in seinen völkerrechtlichen Grenzen". Letzteres ist immerhin mit dem Zusatz "friedlich" versehen.

Diese neue Ansammlung von Rechtsextremisten führt also genügend verbale Sprengkraft im Programm mit sich, so dass die Wachsamkeit des Fürstenfeldbrucker Integrationsbeauftragten nicht genügend gelobt werden kann. Schließlich war die Kundgebung, von einem Aufmarsch kann nicht die Rede sein, in keinem Druckwerk oder auf Plakaten angekündigt gewesen. Willi Dräxler bekam sie zufällig mit und nutzte den in diesem Fall Segen der sozialen Medienwelt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und ist durchaus mit einem inzwischen fast tot paraphrasierten Satz zu bewerten: Fürstenfeldbruck hat ein Zeichen gesetzt - gegen Ausländerfeindlichkeit. Gut 80 Gegendemonstranten haben es nicht nur den Neonazis schwer gemacht, sich Gehör zu verschaffen, sondern die Kreisstadt vor allem vor einem bewahrt, nämlich als Nährboden für rechtsextreme Gesinnung in Verruf zu geraten. Denn darauf haben die Neonazis wohl spekuliert. Fürstenfeldbruck dürften sie - vor dem Hintergrund, dass die Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge im Fliegerhorst aufgewertet werden soll, - nicht zufällig ausgewählt haben.

© SZ vom 18.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: