Kommentar:Dem Wutbürger keine Chance

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Die Politik muss reale Konflikte zwischen Einwohnern und Flüchtlingen lösen und Ausländerfeinden entschieden entgegentreten

Von Peter Bierl

Im Landkreis gibt es wie im ganzen Land zwei Stimmungen gegenüber Flüchtlingen: Solidarität und Hilfsbereitschaft, die viele ehrenamtliche Helfer zeigen, sowie Ressentiments und Hass, die sich auf Bürgerversammlungen und in Internetforen Luft machen, wo es schon mal heißt, der Mammendorfer Pfarrer gehöre aufgehängt, weil er eine Willkommensfeier veranstaltet. Mit den Asylbewerbern hat das nur bedingt zu tun. Es sind Menschen wie Du und Ich. Selbstverständlich gibt es Unterschiede. Flüchtlinge haben Elend und Not, Terror und Krieg erlebt, zu denen auch deutsche Waffenexporte beitragen, während es vielen im Speckgürtel von München vergleichsweise gut geht. Menschen werden nicht besser, wenn sie ums Überleben kämpfen müssen oder monatelang in Lagern zusammengepfercht werden. Und es gibt nicht überall eine Frauen- und Homosexuellenbewegung, die Männlichkeitswahn und religiöse Vorurteile erfolgreich bekämpft.

Wichtig ist, dass sich Bürger wie Kommunalpolitiker bemühen, reale Konflikte, die sich aus dem alltäglichen Zusammenleben ergeben, im Dialog zu lösen, statt sie Flüchtlingen in die Schuhe zu schieben. Darum ist es sinnvoll, wie in Bruck, eine Bushaltestelle zu verlegen, wenn deren Standort dazu führt, dass eine Menge Leute durch ein beschauliches Quartier latschen.

Es gilt jedoch, denen zu widersprechen, die Ausländer zu Sündenböcken stempeln. Mülltrennung ist selbst für Einheimische schwierig, die in einen anderen Landkreis ziehen. Müll in Form von Pizzakartons und Bierflaschen lassen auch deutsche Mittelschichts-Jugendliche liegen. Nicht unüblich ist, dass auf Volksfesten gegrölt, gerauft, im Freien gebieselt und Frauen begrapscht werden. Dass viele Streitereien mit Herkunft wenig zu tun haben, diese nur gern als Vorwand bemüht wird, erkennt man an Wutbürgern, die nicht einmal ihren Landsleuten grün sind. Etwa wenn Nachbarn gegen Kindergärten und Spielplätze protestieren oder auf Bürgerversammlungen in ausländerfreien Käffern über Hundehaufen oder verdreckte Wertstoffhöfe gestritten wird.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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