Kommentar:CSU macht sich eigene Regeln

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Die Partei nimmt sich mit ihrer Präsenzveranstaltung Freiheiten heraus, die anderen verweigert werden

Von Heike A. Batzer

Will man als Eltern dieser Tage seinen erwachsenen Sohn oder die inzwischen von zu Hause ausgezogene Tochter besuchen, dann muss man sich entscheiden: entweder Vater oder Mutter. Beide gleichzeitig? Geht nicht. Wegen der Corona-Auflagen: ein Haushalt plus eine Person. Weil die Inzidenzwerte fast überall dreistellig sind, wurde auch noch eine Bundesnotbremse eingeführt und vom Land Bayern - wie üblich - nachgeschärft.

Im Stadtsaal von Fürstenfeldbruck kommen am Donnerstag 160 Personen aus etwa ebenso vielen Haushalten aus den Landkreisen Fürstenfeldbruck und Dachau zusammen. Das ist auch in Pandemiezeiten erlaubt. Politik muss schließlich arbeiten können, sagt die Politik. Welches Signal sie da ins Wahlvolk sendet, ist ihr offenbar egal. Man mag es kaum glauben, dass es der Politik nicht gelingt oder am Willen fehlt, in dieser Ausnahmesituation auch für sich selbst Lösungen zu finden, die die für alle geltenden Einschränkungen achten.

Was mag der Einzelhändler oder Gastronom denken, der seit Monaten seinen Laden geschlossen halten und möglicherweise schlimmste finanzielle Auswirkungen fürchten muss, während die Kreis-CSU ihr Hygienekonzept für ihre Großveranstaltung betont? Testen, Masken, Abstände. Schon bald nach Beginn der Pandemie war dazu jeder Gewerbetreibende in der Lage. Allein, es nutzte ihm nichts. Was mag der Kulturschaffende denken, der seit einem Jahr nicht mehr im Stadtsaal auftreten darf, was mag das Publikum denken, das seit einem Jahr nicht dort zusehen kann - obwohl die im Stadtsaal installierte Lüftungsanlage nach Auskunft der CSU-Kreisvorsitzenden so gut und sicher ist?

Seit mehr als einem Jahr warnt CSU-Chef Markus Söder die Menschen vor dem Virus und dass man jetzt immer noch weiter durchhalten müsse. Es ist unglaublich, dass dieser Maßstab für die Partei selbst nicht zu gelten scheint. Statt sich selbst zu übervorteilen, täte die CSU gut daran, die für allgemeingültig erklärten Regeln auch auf ihre eigenen Belange anzuwenden. Die Partei sollte Vorbild sein statt Nutznießerin. Alles andere ist ein Beitrag zur Politikverdrossenheit.

© SZ vom 27.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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