Kommentar:Chancen ausgelassen

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Echte Ganztagsschulen wären ein wichtiger Beitrag für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Landkreis lässt sich das bisher aber noch nicht umsetzen

Sonnengruß in Bayreuthon Heike A. Batzer

Lange galt die externe Betreuung von Kindern in Deutschland als Teufelszeug. Die Kinder blieben, sofern sie klein waren, ganztags bei der Mutter zu Hause, später durften sie halbtags immerhin in den Kindergarten. Und auch wenn sie dann in die Schule kamen, waren sie zum Mittagessen wieder zu Hause. Das war lange auch im Landkreis Alltag und ist es in großen Teilen immer noch. Das ist bedauerlich, weil man Entwicklungschancen für die Kinder auslässt und zudem in der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht weiterkommt.

Der am gebundenen Ganztag praktizierte sogenannte rhythmisierte Unterricht verbindet Lernzeiten, Pausen und Freizeit sinnvoll über den Tag. Forschungsergebnisse sprechen ihm bessere Lernerfolge zu. Das aber wird in der Praxis als Ergebnis ignoriert. Bedarfsgerecht soll die Einrichtung von echten Ganztagsschulen sein, sagt die Politik. Ein Bekenntnis zum Ganztagsunterricht ist das nicht. Schon eher eine Notlösung: den Ganztag nur dort anbieten, wo sich Eltern unbedingt dafür aussprechen.

Abfragen unter Eltern im Landkreis, beispielsweise am Gymnasium Gröbenzell, aber ergaben, dass diese ihre Kinder lieber nicht in den Ganztagsunterricht schicken wollen. Auch an den beiden Realschulen, die ein solches Angebot vorhalten, muss für das Angebot geworben werden. Die Eltern im Landkreis bevorzugen das offene Nachmittagsangebot, das den Kindern wie bisher Flexibilität bei der Freizeitgestaltung einräumt. Das ist freilich keine echte Ganztagsschule, sondern lediglich eine Betreuungsform.

Als ergänzendes Angebot neben der dominanten Halbtagsschule wird echter Ganztag jedoch nie funktionieren. Wenn die Klassenkameraden mittags nach Hause gehen dürfen, wer möchte denn dann freiwillig länger an der Schule bleiben? Echter Ganztag würde bedeuten, dass Schule als pädagogisches Programm grundsätzlich bis in den Nachmittag hinein dauert. Doch im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern lässt sich das hierzulande offenbar nicht umsetzen. Dabei wäre dies der wichtigste Beitrag, damit Familien Beruf und Kinder in Einklang bringen können.

© SZ vom 26.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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