Kommentar:Begründet, aber kontraproduktiv

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Die Demo der Asylbewerber macht vor allem eines deutlich: Längst überfällig ist ein Einwanderungsgesetz

Von Stefan Salger

Ein Blick in die sozialen Medien zeigt erwartbare Reaktionen. Vor allem wird Stimmung gemacht gegen die Asylbewerber, die in der Unterkunft am Fliegerhorst leben müssen und am vergangenen Samstag bei einer Kundgebung in der Kreisstadt Unmut und Verzweiflung zum Ausdruck gebracht haben. Der Tenor der Kritiker: Wer sich nicht zu benehmen weiß, soll hingehen, wo er herkommt. Dass die Asylbewerber Grund haben, unzufrieden zu sein, wird vor allem in den sozialen Medien, in denen es kaum ein Spektrum zwischen Richtig und Falsch gibt, vielstimmig bestritten. So schlecht gehe es denen doch gar nicht - sie haben ein Dach über dem Kopf und werden verpflegt.

Die Crux ist, dass die vor allem aus Nigeria stammenden Menschen mit einer Demonstration wie jener am Samstag in der Tat eher das Gegenteil von dem erreichen, was sie bezwecken. Zwar benahmen sie sich völlig tadellos. Gleichwohl empfanden viele Passanten die vorbeiziehende Gruppe und die Durchsagen per Megafon auf Englisch offenbar als eher bedrohlich. Dass die Demonstration bei den Behörden auch noch von einer weit links stehenden Gruppe ohne Abstimmung mit örtlichen Asylhelfern angemeldet wurde, wirkt unglücklich und dürfte weitere Sympathien gekost haben.

Dabei haben die Asylbewerber sehr wohl allen Grund, selbst aktiv die Öffentlichkeit zu suchen - verweigert die Bezirksregierung doch regelmäßig Vertretern von Presse oder Politik, die sich persönlich ein Bild von der Lage machen wollen, den Zutritt zur Unterkunft. Wer Hunderte Menschen, darunter mehrheitlich alleinstehende junge Männer, viele Monate zusammenpfercht und zur Untätigkeit verdammt, der ist mindestens mitverantwortlich für Frust und Aggression (auch wenn dies Gewalt nicht rechtfertigt und sich natürlich jeder hierzulande an Recht und Gesetz zu halten hat).

Längst überfällig ist ein Einwanderungsgesetz, das den Weg öffnet für die Trennung zweier Verfahren: für politisch Verfolgte oder Bürgerkriegsopfer auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite für Menschen, die aus ebenfalls nachvollziehbaren Gründen der Not entfliehen und sich ein besseres Leben in Deutschland erarbeiten wollen. So wäre es möglich, legal, geradlinig und transparent motivierten und qualifizierten Arbeitskräften die Zuwanderung zu ermöglichen und damit gleichzeitig den akuten Mangel an Auszubildenden und Fachkräften zu lindern.

Nicht die Asylbewerber also müssen sich Versäumnisse anlasten lassen, sondern unwillige Politiker vor allem auf Landes- und Bundesebene, die Menschen mit geringer Bleibe-Perspektive in große Sammelunterkünfte stecken und damit Konflikte schüren. Eine Kundgebung, viel wirkungsvoller als jene am Samstag in Bruck, hat es bereits gegeben. Sie hallt Politikern der Regierungsparteien noch in den Ohren: die Landtagswahl.

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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