Kommentar:Aufklärung statt Abschreckung

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Die Grünen nehmen sich der Missstände in der Brucker Asylunterkunft an. Das ist gut so. Dort gilt es mehr zu ändern als Kommunikationsprobleme

Von Peter Bierl

Vor einigen Jahren fuhr der bayerische Innenminister Joachim Herrmann mit der S-Bahn von Bruck nach München, um sich über die Lage der Pendler zu informieren. Schon vorab hatten seine Mitarbeiter die Pressemitteilung zu dem Event verfasst. Jetzt zog das Ministerium eine positive Zwischenbilanz der Ankerzentren bevor Herrmann die Dependance beim Fliegerhorst besuchte. Das klingt widersinnig, ist aber nur effektive Arbeit, denn die politische Linie war in beiden Fällen längst festgeklopft und insofern hätten sich Mitarbeiter und Insassen der Unterkunft einen Großputz sparen können. Die CSU setzt auf Abschreckung, weil sie den Maximen des Wohlstandschauvinismus und nicht der christlichen Nächstenliebe folgt.

Weil es für eine schwarz-grüne Koalition in Bayern nicht gereicht hat, können die Grünen hingegen unbeschwert die miserablen Bedingungen in der Unterkunft anprangern: Verbesserungswürdige Hygieneräume, zu viele Menschen in den Zimmern eingepfercht, nicht einmal Bänke oder Stühle zum Hinsetzen, keine Perspektive. Kein Wunder, dass die Regierung nicht einmal eine Bundestagsabgeordnete rein lassen wollte, die SZ-Redaktion wartet seit Wochen auf einen Besuchstermin. Gut, dass die grünen Frauen so hartnäckig sind, sich nicht abschütteln lassen und insbesondere die Situation der Schwangeren und Kinder ermitteln wollen. Die neue Landtagsabgeordnete der Grünen von Bruck-West, Gabriele Triebel, kümmert sich um konkrete Missstände, statt Heimatkongresse zu organisieren wie ihr Vorgänger.

Merkwürdig klingt dagegen die Einschätzung, mangelnde Kommunikation sei die Ursache vieler Konflikte. Das mag in vielen Fällen zutreffen, aber entscheidend sind die Ansagen, dass die Leute nicht arbeiten und nicht bleiben dürfen. Nigerianer flüchten vor islamistischem Terror, der Zerstörung ihres Landes durch westliche Ölkonzerne sowie einer allgemeinen Misere in ihrem Land. Menschen, denen die Abschiebung in Bürgerkrieg, Elend oder Zwangsprostitution droht, werden nicht glücklich und zufrieden, bloß weil sie drei Tagen vorher wissen, dass die Polizei sie nachts aus den Betten reißen wird.

© SZ vom 10.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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