Kommentar:Armut wird oft übersehen

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Die Ergebnisse einer Studie über die Senioren in Puchheim überrascht Bürgermeister Norbert Seidl

Von Peter Bierl

Puchheim ist die reichste Kommune im Landkreis, was die Gewerbe- und Einkommensteuern betrifft sowie die Rücklagen. Zugleich scheint Puchheim das Armenhaus im Brucker Land zu sein. Sowohl die Kinder- als auch die Altersarmut sind überdurchschnittlich hoch. Eine Untersuchung der erwerbstätigen Jahrgänge würde vermutlich ein ähnliches Ergebnis zutage führen. Vielleicht sähe es in anderen Städten im Landkreis nicht besser aus, würden dort solche Untersuchungen vorgenommen. Wie selbstverständlich existiert Armut in der gefeierten Wirtschaftsboomzone von Großmünchen. Bloß wird sie gerne übersehen, weil eine wohlhabende Ober- und Mittelschicht optisch und politisch dominiert. Arme Leute existieren in dieser Komfortzone nicht. Viele beteiligen sich nicht an Wahlen, weil ihre Erfahrung zeigt, dass es wenig bringt, und ein Teil des neuen migrantischen Proletariats hat ohnehin kein Wahlrecht.

Insofern ist es lobenswert, dass sich Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) und der Stadtrat in Puchheim der Herausforderung stellen. Mehr Treffpunkte zu schaffen, mehr Unterstützung zu bieten, etwa kostenloses Schulessen, wäre sinnvoll, ebenso die Verwaltung darauf auszurichten, die Bürger über ihre Ansprüche aufzuklären. 60 Prozent der Rentner lösen ihren Anspruch auf Grundsicherung aus Unwissenheit oder aus Scham nicht ein, ebenso hoch liegt der Anteil bei Kindern aus armen Elternhäusern.

Gleichwohl stößt eine Kommune an Grenzen, sie kann lediglich an Symptomen kurieren. An hohen Mieten lässt sich wenig ändern, Puchheim beißt schon mit dem Projekt Soziale Stadt bei den Immobiliengesellschaften auf Granit. Der Gender-Pay-Gap, der zu Altersarmut führt, lässt sich auf lokaler Ebene nicht schließen. Am ausgeprägten Niedriglohnsektor sind die Puchheimer Sozialdemokraten hingegen nicht unschuldig, haben sie doch die Agenda 21 und Hartz IV mitgetragen. Anno 2004 freute sich mancher Genosse, dass Erwerbslosen in den Hintern getreten werde, und der heutige Landratskandidat Christoph Maier forderte mehr Unterstützung für den ohnehin prosperierenden Mittelstand. Kritik formulierte der damalige Bürgermeister Herbert Kränzlein. Er warnte, die Schere zwischen Arm und Reich würde weiter aufgehen.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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