Kommentar:Ärgernis statt Verkehrswende

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Elektroroller bringen die Verkehrswende nicht voran. Im Gegenteil: Sie bereiten zusätzliche Probleme

Von Peter Bierl

Der Sturz von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit einem E-Scooter war von hoher Symbolik. Der Mann, der in die Geschichte eingehen wird, weil er eine halbe Milliarde Euro verplempert hat, hatte das kleine Gefährt als "echte zusätzliche Alternative zum Auto" angepriesen, woraus zum Glück nichts geworden ist. Die Zahl der E-Scooter hält sich in Grenzen, und das ist gut so.

Denn die Teile werden nach wie vor achtlos abgestellt oder einfach hingelegt, landen im Gebüsch oder in Gewässern. Dass man wie mit dem Fahrrad nur auf Radwegen und Straßen, nicht aber auf Gehwegen fahren darf, wissen viele nicht, und dass manche die Promillegrenze ignorieren, kann die Fürstenfeldbrucker Polizei aus eigener Erfahrung nach wenigen Tagen bestätigen. Das Fahren ohne Helm ist eigentlich zu gefährlich für so ein Kraftfahrzeug, dessen kurze Lebensdauer ein dicker ökologischer Negativposten.

Abgesehen davon gilt wie beim Elektroauto oder beim E-Bike, dass der Strom nicht einfach aus der Steckdose kommt, sondern in Kraftwerken produziert werden muss. Der Strommix in der Bundesrepublik bestand im vergangenen Jahr fast zur Hälfte aus fossilen Brennstoffen und Atomenergie und die knapp zehn Prozent Biomasse sind alles andere als "öko", sofern dafür Mais in Monokulturen mit Dünger und Pflanzengiften extra angebaut wird.

Alles in allem ist das ziemlich viel Ärgernis für ein Gefährt, das die Verkehrswende nicht voranbringt. Die Skepsis von Umweltschützern, Polizei und Kommunen wie Germering ist nur berechtigt. Über eine Handhabe verfügen sie aber nicht und sind, wie das aktuelle Beispiel von Fürstenfeldbruck, Germering, Olching und Puchheim zeigt, auf den Goodwill der Unternehmen angewiesen. Der E-Scooter mag für ein paar Touristen auf Sightseeing eine feine Sache sein. Für den innerstädtischen Verkehr wären Fahrrad, Bus, Taxi und Car-Sharing als Ersatz für den privaten Pkw ausreichend. Dass gerade Busse immer besser angenommen werden, lässt sich in der Kreisstadt gut beobachten, dagegen ist die Infrastruktur für Fahrräder immer noch mangelhaft, das Auto ist das Maß der Dinge geblieben.

© SZ vom 23.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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