Klassik:Interessante Begegnung für das Publikum

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Das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim und der Trompeter Gábor Boldoczki können in Germering nicht gänzlich überzeugen

Von Klaus Mohr, Germering

Traditionen werden von Generation zu Generation weitergegeben. Das gilt für Besonderheiten bei einem Fußballclub genauso wie für ein Orchester. Konkret ist es eine unverwechselbare Art zu spielen, und im Fall von Musik, ein ganz spezifischer Klang. Das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim wurde 1950, also in der Phase der Wiederbelebung des kulturellen Lebens in Deutschland nach dem Krieg, gegründet. Von den damaligen Mitgliedern ist natürlich niemand mehr dabei. Doch Traditionen haben sich erhalten: So treten die Orchestermitglieder noch immer im Frack auf, was bei Kammerorchestern inzwischen zur Seltenheit geworden ist. Auch die Art zu musizieren ist der Tradition verpflichtet: So spielen Aspekte einer veränderten Klangästhetik, wie sie durch viele Erkenntnisse einer historisch informierten Aufführungspraxis inzwischen zum Standard geworden sind, hier nur eine untergeordnete Rolle. Viele Kammerorchester spielen heute auch ohne Dirigenten. Das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim gastierte unter der Leitung von Johannes Moesus am Freitag in der Klassik-Reihe im Orlandosaal. Als Solist war der ungarische Trompeter Gábor Boldoczki zu hören, der 1997 mit einem dritten Preis beim ARD-Musikwettbewerb ausgezeichnet wurde. Das Programm lotete die spannende Zeitspanne des Barock bis in die Klassik und die allmählich heraufziehende Romantik aus.

Mit dem Concerto grosso in B-Dur op. 6 Nr. 7 von Georg Friedrich Händel begann das Konzert. Die fünf Sätze sind kurz, und es gibt keine Soloepisoden, so dass stets das ganze Orchester musiziert. Das Largo war von satten Akkorden gekennzeichnet, deren tiefe Klanglichkeit einen sonoren Eindruck vermittelte. Im Allegro entspann sich in ganz organischem Tempo eine Fuge aus einem Thema, dessen Tonrepetitionen zu Beginn in munteres Laufwerk mündeten. Hier wäre ein insgesamt transparenteres Klangbild entstanden, wenn die Priorisierung der jeweiligen Führungsstimme stärker ausgeprägt gewesen wäre. Stimmige Tempi prägten die weiteren Sätze: Ruhig fließend geriet der Largo e piano-Satz und entfaltete dabei einen einfühlsamen Charakter. Fast schon klassische Züge angesichts der lieblichen Melodie hatte der Andante-Satz, bevor eine robust musizierte Hornpipe etwas dick auftrug.

Das Konzert für Trompete, Streicher und Basso continuo in Es-Dur von Johann Baptist Neruda folgte. Der Solist Gábor Boldoczki wurde zum Vorbild für das Orchester, was tonliche Präsenz und rhythmische Klarheit anging. So gut es dem Orchester gelang, die adäquate Balance zum Solisten herzustellen, so schwierig gestaltete sich immer wieder die Präzision im Zusammenspiel untereinander. Das könnte damit zu tun gehabt haben, dass sich die Musiker weniger auf ihre Mitspieler und ihre Ohren verließen als auf die Vorgaben des Dirigenten. In den Kadenzen verließ der Trompeter den stilistischen Rahmen des Werks nicht, setzte aber durchaus auf Virtuosität. Leichter tat sich das Orchester mit Introduktion, Thema und Variationen in f-Moll op. 102 für Flügelhorn und Orchester von Johann Nepomuk Hummel. Der Solist wechselte hier von der Trompete zum viel weicheren Flügelhorn und spielte dessen klangliche Möglichkeiten schließlich geschickt aus. Das Orchester bereitete schon in der Introduktion einen harmonisch ausgewogenen Boden, so dass der Klangeindruck an eine Opernouvertüre erinnerte. Zwei etwas unbekanntere Symphonien, eine in D-Dur KV 155 von Wolfgang Amadeus Mozart und die Nr. 21 in A-Dur von Joseph Haydn, brachten für die Zuhörer interessante Begegnungen. Leider mangelte es immer wieder an der erforderlichen Intonation und auch die motivische Detailarbeit ließ zu wünschen übrig.

Den absoluten Höhepunkt des Konzerts gab es erst mit der Zugabe, einem Lied von Antonín Dvořák, das der Trompeter, begleitet vom Orchester, in einer Instrumentalversion präsentierte. Die schwelgerischen, pastos angerührten Farben im Orchester offenbarten dessen wahre Stärken. Es wäre gut gewesen, wenn das Programm des Germeringer Konzertes mehr solcher Werke enthalten hätte.

© SZ vom 29.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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