Kein Weihnachtsfriede in Sicht:Germeringer Gardinenpredigt

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Nach einem Streit mit dem Kirchenmusiker hat die Erzdiözese Ruhestandspfarrer Weinsteiger von seinen Pflichten entbunden. Der geigt nun auch seinem Nachfolger Christian Jaster die Meinung und kreidet ihm Undankbarkeit an

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Der Streit zwischen dem katholischen Stadtpfarrer Germerings, Andreas Christian Jaster, und dem Ende September entlassenen Ruhestandspfarrer Josef Weinsteiger spitzt sich zu. Nachdem es gar nicht erst zu einem vor zehn Tagen anberaumten Gespräch gekommen war, informierte Weinsteiger am Montag die 302 Gläubigen, die per Unterschrift seine Wiedereinsetzung gefordert hatten, über seine Sicht. Der 78-Jährige kreidet Jaster die mangelnde Würdigung seiner 46 Jahre dauernden Arbeit an, das wird in seinem mehrseitigen Schreiben deutlich. Weinsteiger über Jaster: "So sieht der Anstand aus, den er vorlebt." Weinsteiger hat mit seinem monatlichen Gesprächskreis mittlerweile "Asyl" bei der evangelischen Jesus-Christus-Kirche in Germering gefunden.

Hintergrund des Germeringer Kirchenstreits ist die öffentlich vorgebrachte Kritik Weinsteigers am langjährigen Organisten und Kirchenmusiker Christian Schramm während des Sonntagsgottesdienstes Anfang Juni in der Sankt-Martin-Kirche. Damals hatte sich der Ruhestandspfarrer heftig darüber beklagt, dass Schramm, der auch den Kirchenchor leitet, die zu häufigen Auftritte des Chors zur "Selbstdarstellung missbraucht" und so "keine Bereicherung des Gottesdienstes", sei, sondern diesen eher behindere. Pfarrer Jaster hatte sich in diesem Streit hinter Schramm gestellt. Schließlich entschied das zuständige Erzbischöfliche Ordinariat München, Weinsteiger von seinen Aufgaben zu entpflichten. Er habe keine Gespräche verweigert, beteuert der Ruhestandspfarrer. Jaster hingegen habe "intensives, vergebliches Bemühen um eine Schlichtung nur vorgetäuscht."

Gläubige sammelten nach der Entlassung Weinsteigers Unterschriften und schickten Protestbriefe an das Ordinariat. Eine Antwort gab es bisher nicht. Deshalb kritisiert Weinsteiger auch die Diözesanverwaltung: "Es ist unwürdig, in einer solch schäbigen Art und Weise mit einem Pfarrer und Menschen nach 50 Jahren im Kirchendienst umzugehen."

Die Gottesdienstbesucher hätten sich vom "enormen Drang zur Selbstdarstellung" des Organisten überzeugen können, so Weinsteiger. Sein Streit mit dem Kirchenmusiker reicht weiter zurück. "Nicht mehr als drei Strophen pro Lied", dieses Zugeständnis habe er ihm einst abgerungen. Trotzdem ging die Auseinandersetzung weiter. Schramm weigerte sich, die Orgel zu spielen. "In jeder normalen Firma ist das Arbeitsverweigerung", schreibt Weinsteiger jetzt an seine Unterstützer, "ein Grund zur Kündigung, zumindest für eine Abmahnung." In Sankt Martin sei die Haltung von Schramm von Pfarrer Jaster und Pastoralreferent Christian Kube gebilligt worden. Jaster hatte Weinsteiger einen Abendgottesdienst mit einem anderen Organisten angeboten, was dieser ablehnte. Weinsteiger spricht heute von einem "Diktat" Jasters, der ihm dann auch den Raum für seinen monatlichen Gesprächskreis verweigert habe. Dieser Gesprächskreis findet jetzt in der evangelischen Kirche statt. Öffentlich hat das Weinsteiger bis dato nicht gemacht. Die Besucher informieren sich über das jeweilige Gesprächsthema per Mundpropaganda.

Stadtpfarrer Jaster verweist im Gespräch mit der SZ auf die Entscheidung des Ordinariats, das sich bei ihm in dieser Angelegenheit ebenfalls nicht gemeldet habe. Er selbst habe den Unterzeichnern der Protestnote pro Weinsteiger inzwischen geantwortet. Auf den Vorwurf Weinsteigers, Jaster selbst habe Schramm, als Selbstdarsteller im "Kasperlgewand" bezeichnet, sagt der Stadtpfarrer: "Das war bei der Josefifeier gewesen, also beim jährlichen Derbleckn in Sankt Martin." Weinsteiger legt derweil noch nach: "Die Gläubigen wissen ganz genau, ob ein Gottesdienst abgespult oder mit Leben erfüllt gefeiert wird." Jaster, Kube und Schramm seien von "Neidgedanken gefangen" gewesen. Für sie "war es unerträglich", so Weinsteiger in seinem Brief, "dass meine Gottesdienste von wesentlich mehr Gläubigen besucht wurden."

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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