Kein Sportangebot:Appelle zum Bleiben

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Sportvereine können derzeit ihre Angebote nicht aufrecht erhalten. Ihre Mitglieder bitten sie, gemeinsam die Krise durchzustehen und die Beiträge zu bezahlen. Bislang stoßen sie auf Verständnis

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Ähnlich wie die Schulen haben auch die Sportvereine in der Corona-Krise ihren Betrieb eingestellt. Auch alle Vereinsheime - viele davon bewirtschaftet - bleiben geschlossen. Der Bayerische Landes-Sportverband (BLSV), in dem alle bayerischen Sportvereine Mitglieder sind, hat für seine Vereine und Sportfachverbände ein Meldesystem zur Verfügung gestellt, um finanzielle Schäden angeben zu können. Die Sportvereine im Landkreis wollen die Krise offenbar so durchstehen und bitten ihre Mitglieder davon abzusehen, Beiträge zurückzufordern oder gar eine Art Sonderkündigungsrecht in Anspruch zu nehmen.

"Mit unserem Meldesystem analysieren wir derzeit, inwieweit unsere Vereine und Fachverbände aufgrund der Corona-Pandemie finanziell betroffen sind", erläutert BLSV-Präsident Jörg Ammon. Es gehe vorrangig nicht darum, Einkommenseinbußen zu ersetzen, "sondern Insolvenzen und damit dauerhafte Schäden für das bayerische Sportsystem zu vermeiden." Die gewonnenen Daten sollen an das bayerische Innenministerium adressiert werden, um auf eine finanzielle Unterstützung hinzuwirken. Bisher sind rund tausend Rückmeldungen eingegangen. "Aktuell haben sich bereits über 1250 Sportvereine und mehr als die Hälfte unserer Sportfachverbände auf die Online-Abfrage zurückgemeldet", berichtet Christian Henßel, zuständig für die Verbandskommunikation im BLSV. Nach aktuellem Sachstand prognostiziert der BLSV für den organisierten Sport in Bayern insgesamt eine Schadenssumme von mehr als 200 Millionen Euro. "Wir benötigen dringend ein finanzielles Hilfspaket für die Sportvereine und Sportfachverbände", bekräftigt Präsident Ammon. Hierzu befinde man sich in einem guten und konstruktiven Austausch mit der Politik.

Kein Sport, nirgends: weder um allein oder mit anderen zu trainieren oder sich im Wettkampf messen zu können. (Foto: Matthias F. Döring)

Auch beim TSV Unterpfaffenhofen-Germering sind Sportzentrum und Vereinsheim geschlossen. "Von den Mitgliedern ist uns für diesen Schritt sehr viel Verständnis und Zustimmung entgegengebracht worden", betont Pressesprecher Volker Hanf: "Wir geraten durch die vorübergehende Schließung nicht in eine finanzielle Schieflage." Und er fügt an, der Verein wirtschafte seit Jahren konsequent vorausschauend, vorsichtig und grundsolide. Wohl wahr: Der mit 5700 Mitgliedern größte Sportverein im Landkreis verzeichnet in der Regel einen jährlichen Überschuss von mehr als 200 000 Euro. Die Rücklagen des Vereins sind erheblich, er bezahlt aber davon auch den Unterhalt für das vereinseigene Sportzentrum. Der Überschuss erklärt sich auch dadurch, dass der TSV auf hauptamtliches Personal im Sportbetrieb und in der Vereinsführung verzichtet. "Unsere Übungsleiter werden stundenweise nach abgehaltenen Übungsstunden bezahlt", sagt Hanf. Einen Anspruch der Mitglieder auf (Teil)Erstattung ihrer Mitgliedsbeiträge aufgrund entgangener Sportangebote verneint der Verein.

Auch beim SC Gröbenzell, der 3100 Mitglieder hat, werden "die Übungsleiter nach den gehaltenen Stunden bezahlt", teilt Schatzmeisterin Anita Rieger mit. Für den Verein fallen deshalb keine weiteren Kosten an. "Für die einzelnen Übungsleiter bedeutet das natürlich einen Verdienstausfall", bedauert Rieger. Sie kennt auch keine endgültige Empfehlung des BLSV, wie mit Beiträgen zu verfahren ist. Gebe es Rückforderungen, müsse darüber im Vorstand und im Vereinsausschuss entschieden werden. Helmut Becker, Präsident des TuS Fürstenfeldbruck, hat auf der Internetseite des Vereins einen Brief an die Mitglieder veröffentlicht. "Ein Sonderkündigungsrecht besteht nicht, da wir in absehbarer Zeit wieder alle Leistungen in vollem Umfang bereitstellen werden", schreibt Becker an die 3100 Mitglieder. Der TuS-Präsident befürchtet offenbar finanzielle Einbußen und erläutert unter der Frage: "Kann ich meine Mitgliedschaft stilllegen oder bekomme ich meinen Beitrag zurückerstattet?", die Position des Vereins. Becker ersucht nachdrücklich jedes einzelne Mitglied: "Wir möchten dich bitten, keine Rücklastschriften zu beauftragen, da deine Bank enorme - zudem vermeidbare - Gebühren dafür berechnet." Und weiter: "Wir hoffen auf deine Loyalität als treues Mitglied, denn wir müssen unsere Liquidität erhalten, um weiter unsere finanziellen Verpflichtungen (Gehälter, sonstige Kosten) bedienen zu können. Deshalb bitten wir dich, weiterhin abbuchen zu dürfen." Dann fügt Becker noch die rechtliche Position des Vereins hinzu: "Durch die Ausrufung des Katastrophenfalls und der damit verbundenen Sperrung aller Freizeiteinrichtungen kann für Vereine eine rechtliche Unmöglichkeit vorliegen, die Leistung des Sportbetriebs zu erbringen. Insofern dürfte es nicht gerechtfertigt sein, den Beitrag zu mindern oder zurück zu erstatten." Der BLSV stützt diese Argumentation.

Rot-weiße Absperrbänder halten momentan im Landkreis Leute davon ab, Rasenplätze oder Tartanbahnen zu betreten. (Foto: Matthias F. Döring)

Der FC Puchheim mit seinen 3600 Mitgliedern stellte seine Übungsleiter bis zu den Osterferien laut Vorstandsmitglied Traude Mandel so, als ob sie gearbeitet hätten. Wie es nach den Osterferien weitergehen werde, habe der Vorstand noch nicht entschieden. "Wir rechnen nicht mit größeren Austritten", betont Mandel. "Es ist ja alles höhere Gewalt." Der kleine Olchinger Verein der Eltern behinderter Kinder (EBK Olching) übt ebenfalls finanzielle Solidarität mit seinen Übungsleitern. "Leider mussten wir ja unseren Sportbetrieb einstellen, dies soll für euch aber kein finanzieller Nachteil sein. Wir haben im Vorstand beschlossen, eure Übungsleiter-Beträge selbstverständlich weiter zu bezahlen", heißt in der Mitteilung an die Trainer auf der EBK-Internetseite.

© SZ vom 07.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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