Junge Karriere:Mit Domino auf die große Bühne

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Für ihre selbstbewusste und ehrliche Haltung wird Yagmur Yagan im Internet immer wieder kritisiert. Davon lässt sich die Germeringerin allerdings nicht beeindrucken. (Foto: Günther Reger)

Die 22-jährige Germeringerin Yagmur Yagan begeistert bei der Casting-Show "The Voice" nicht nur alle Juroren, sondern auch das Publikum. Nun hofft die ambitionierte Sängerin auf den großen Durchbruch

Von Viktoria Lack, Germering

Yagmur Yagan hat sich noch nicht so ganz daran gewöhnt, dass sie plötzlich fremde Menschen auf der Straße erkennen. Noch bevor sie für ein Gespräch an einem der kleinen Café-Tische in einer Germeringer Bäckerei Platz nehmen kann, wird sie von zwei Männern am Nebentisch angesprochen. Seit am vergangenen Sonntag ihr Auftritt bei der Casting-Show "The Voice of Germany" ausgestrahlt wurde, klingelt auch das Handy der 22-Jährigen mehrmals pro Stunde. Freunde und Bekannte gratulieren ihr zu ihrem Erfolg, die Medien wollen die Frau kennenlernen, die hinter der Stimme steckt.

Denn Yagan hat das geschafft, wovon alle Teilnehmer bei "The Voice" träumen. Bei der Casting-Show sehen die Juroren nicht, wer auf der Bühne steht und singt. Rein nach Gehör müssen sie entscheiden, ob sie den Kandidaten in ihr Team aufnehmen und damit eine Runde weiterschicken wollen. Überzeugt der Sänger mit seiner Stimme, drücken die Juroren einen Knopf, ihr Stuhl dreht sich zur Bühne um und der Kandidat ist eine Runde weiter. Bei der Germeringerin haben sich allerdings gleich alle Juroren umgedreht - jeder der vier Coaches wollte sie in seinem Team haben. "Damit hätte ich nie, niemals gerechnet", erzählt Yagan. Nach ihrem Auftritt entstand ein regelrechtes Gerangel um die Germeringerin, bei dem die vier Juroren versuchten, sie von ihrem eigenen Team zu überzeugen.

Seit sie 16 Jahre alt ist, hat Yagan sich immer wieder bei der Casting-Show beworben, es aber nie weiter als in die Vorrunde geschafft. "Damals war ich einfach noch nicht gut genug. Ich war ein Kind und meine Stimme musste sich erst noch entwickeln", sagt Yagan.

Gesangsunterricht hatte das junge Talent nie. Stattdessen hat sie, seit sie sechs Jahre alt war, mithilfe von Youtube ihre Lieder einstudiert: "Dort gibt es Karaokesongs, und die habe ich einfach immer und immer wieder in meinem Kinderzimmer gesungen", erinnert sie sich. Doch Yagan wollte schon damals mehr. Sobald sich ihr die Möglichkeit bot, stand sie auf der Bühne: Schulchor, Schulband, Auftritte auf der Familienfeier und beim Germeringer Weihnachtsmarkt. Nervös ist sie trotz Bühnenerfahrung jedes Mal aufs Neue. "Egal ob ich ein Referat in der Schule halte oder auf der Bühne stehe - ich bin immer aufgeregt. Aber so einen Adrenalinschub wie bei meinem Auftritt bei ,The Voice' hatte ich noch nie", erzählt Yagan.

Ihren ersten Castingwettbewerb nahm sie früh in Angriff. Mit zwölf Jahren bewarb sie sich bei "Das Supertalent" mit Dieter Bohlen, schaffte es aber nicht bis in die Fernsehshow. In der Heimat ihrer Eltern erreichte sie zweimal das Halbfinale bei "Turkey's got Talent", der türkischen Version von "Deutschland sucht den Superstar". Im deutschen Fernsehen war sie dann erstmals 2013 zu sehen, als Finalistin der Show "Kay One - Sängerin gesucht", bei der Rapper Kay One sich deutschlandweit auf die Suche nach einer Sängerin für einen neuen Song gemacht hatte. Mit dem Erfolgsrapper steht Yagan bis heute in Kontakt, er hatte ihr sogar Glück gewünscht für ihren Auftritt bei "The Voice".

Yagan kommt aus einer großen Familie, hat zwei große Brüder und zahlreiche Verwandte - gleich fünf ihrer Cousinen begleiteten sie zu ihrem Auftritt in Berlin. Einmal im Jahr fliegt die Familie in die Türkei, doch für Yagan ist Deutschland ihre Heimat. Das Gesangstalent habe sie von ihrem Vater, doch der singe nur "türkische Schnulzen", erzählt sie. Die Tochter dagegen konzentriert sich auf englische Musik, die Sängerinnen Adele und Sia gehören zu ihren großen Vorbildern. Balladen sind ihre Spezialität, für den Auftritt bei den Blind Auditions hat sie allerdings Jessie Js Popsong "Domino" ausgewählt. "Mit einem schnellen Song hast du die Leute in der Hand. Die haben Lust zu feiern", erklärt Yagan. Außerdem habe der Text perfekt zu ihrem hart erkämpften Auftritt gepasst: "Make this dream the best I've ever known".

Auch ihr Durchhaltevermögen hat Yagan von ihren Eltern. "Mein Vater hat immer gesagt: Wehr' dich und lass dich nicht unterkriegen!". Diese Einstellung hat ihr vor allem während der Schulzeit auf der Germeringer Realschule geholfen. Und vor ihrem Fernsehauftritt hat sich Yagan auf negative Kritik aus dem Internet vorbereitet. "Ich wusste, dass so etwas kommt, weil ich kein Model bin und sage, was andere nicht aussprechen. Aber mich juckt das nicht - wenn die Leute lästern wollen, dann zeigt das nur, dass die einen Scheißcharakter haben", zeigt sich die angehende Auszubildende selbstbewusst. Gerade ein Interview nach ihrem Auftritt, in dem sie unter anderem Aufmerksamkeit und Reichtum als Motivation für ihren Traum von der Gesangskarriere angegeben hat, stieß im Internet auf Kritik. "Ich muss mich nicht verstellen. Die sitzen da verbittert hinter ihrem Computer und ich denk mir: Wer steht hier auf der Bühne, du oder ich?", kontert Yamur Yagan.

Die Sängerin hat sich nach ihrem Auftritt für Samu Haber, den Frontmann der finnischen Band Sunrise Avenue, als Coach entschieden. Als nächstes steht ein Duett mit einem ihrer Teamkollegen an, bei dem es nur einer der beiden in die nächste Runde schafft. Doch was passiert, wenn der Traum von "The Voice" schon nach dem nächsten Auftritt vorbei ist? "Wenn es aus ist, dann ist nicht alles vorbei - ich mach mit meinem Leben weiter. Die deutschen Castings sind meine Vorbereitung für die amerikanische Weltbühne", erklärt die 22-Jährige kampfeslustig. Neben der Casting-Show stehen in den nächsten Wochen bereits mehrere Auftritte auf Weihnachtsfeiern und anderen Events im Terminkalender. Yagan kann sich nicht vorstellen, irgendwann nicht mehr zu singen. Nur ihre Mutter hat manchmal Zweifel daran, ob die Gesangskarriere der richtige Weg für ihre ehrgeizige Tochter ist. "Meine Mama denkt, ich bin traurig, wenn etwas nicht klappt, und das will sie nicht. Aber dann sage ich ihr: Das ist mein Traum und ich werde ihn bis zum Ende durchziehen", kündigt Yagan an.

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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