Junge Asylhelfer:Gleichaltrige Deutschlehrer

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Nummer eins beim Toleranz-Wettbewerb: Puchheimer Realschülerinnen haben sich als Asylhelferinnen bewährt. (Foto: Günther Reger)

Puchheimer Realschüler geben Kindern von Flüchtlingen im Rahmen eines P-Seminars Sprachunterricht und helfen ihnen dabei, sich einzugewöhnen. Dieses Engagement wird vom Kultusministerium gewürdigt

Von Lena von Holt

Puchheim"Sei du selbst die Veränderung, die du wünscht in deiner Welt", zitiert Herbert Glauz, Leiter der Realschule Puchheim, den indischen Pazifisten Mahatma Gandhi. 26 Schülerinnen und Schüler haben diesen Leitsatz übernommen und Toleranz bewiesen. Ihr soziales Engagement für Flüchtlinge wurde vom bayerischen Kultusministerium mit dem ersten Platz beim Wettbewerb "Hinschauen und anpacken" gewürdigt.

Als im Juli Flüchtlinge übergangsweise ein neues Zuhause in der Turnhalle fanden, hat Sport- und Wirtschaftslehrerin Jennifer Eggert nicht lange gezögert. Seit Langem engagiert sich die 42-Jährige zu Hause in Buch bei Herrsching in einem Helferkreis für Flüchtlinge. Seit September leitet Eggert das Wahlfach gemeinsam mit Katharina Kolesaric. "Wie bringe ich die Jugend zum Ehrenamt?", fragte sich die Lehrerin. Scheinbar genau so. Denn, für das Wahlfach hatten sich laut Schulleiter Herbert Glauz so viele Schüler angemeldet, wie für kein anderes. Das habe auch daran gelegen, dass viele Wahlfächer, die in den vorherigen Jahren angeboten wurden, durch die Sporthallenbelegung weggefallen seien. Auch er fühlt sich manchmal hilflos, wenn er die Medien verfolgt. Die Projekte der Schüler würden bei so viel schlechten Nachrichten zumindest kleine Inseln der Toleranz darstellen. Das mache ihm Hoffnung, sagt Glauz, schließlich seien es die jungen Menschen, die unsere Zukunft gestalten.

Toleranz zeigen, heißt Andersartigkeit akzeptieren, so wie die Neuntklässlerin Vanessa, die im Wahlfach Asylhelferkreis gemeinsam mit anderen Schüler Deutschkurse für Flüchtlinge aus Eritrea organisierte. Dazu haben sie sich in kleinen Gruppen zusammengetan und mit Hilfe von Schildern die deutsche Sprache geübt. Thema war, neben Kultur und Religion, auch die lange und gefährliche Flucht der Schutzsuchenden nach Deutschland, von der die Schülerin besonders beeindruckt war. Bei einer Mal- und Bastelaktion mit Kindern in der Asylunterkunft in der Siemensstraße hätten sich ihnen die Kinder, die anfangs noch scheu und ängstlich waren, geöffnet. Nach einiger Zeit sei es sogar gelungen, eine Bindung zu ihnen aufbauen, berichtet Jasmin, die in die zehnte Klasse der Realschule Puchheim geht. Sie ist froh, die Eltern entlasten zu können, indem sie ihnen die Kinder für ein paar Stunden abnimmt. Sie würden sonst gar keine Zeit haben, um zum Beispiel in den Deutschkurs zu gehen.

Für dieses Engagement erhielt die Realschule Puchheim eine Auszeichnung und ein Preisgeld von 1500 Euro aus den Händen von Ernst Fischer, Ministerialbeauftragter für die Realschulen in Oberbayern-West. Dabei wurde zum ersten Mal auch ein Projekt für soziales Miteinander gefördert. Kriterien für die Vergabe des Preises waren, dass die sozialen Projekte nachhaltig und vernetzt gestaltet sind. Das heißt im Fall der Realschule Puchheim, dass viele Schüler und auch Lehrer sich nicht bloß in Einzelaktionen, sondern in verschiedenen, langfristigen Projekten für Menschen vor Ort einsetzen.

In der Zukunft haben die Schüler noch viel vor: Sie wollen einen Flohmarkt gestalten, bei dem Flüchtlinge Kontakte knüpfen können, sie zum Sommerfest der Schule einladen, ein Fußballturnier veranstalten, gemeinsam kochen und klettern, oder von dem gewonnenen Geld Schwimmkurse für Flüchtlinge bezahlen. So viele Ideen - am besten wäre es doch, wenn die Schüler nur noch drei Stunden am Tag in der Unterricht gehen müssten, um alles umzusetzen, spaßt Schulleiter Glauz.

Den zweiten Platz belegt die Realschule Herrsching. Dort sind Schüler in Asylbewerberunterkünfte gegangen, um Interviews zu führen. Auf diese Weise konnten Empathie aufgebaut und Vorurteile abgebaut werden. Auf dem dritten Platz folgt die Ickstatt-Realschule aus Ingolstadt. Deren Schüler hatten einen Projekttag zum Thema Behinderung veranstaltet, in dem sie versuchten, den Alltag körperlich und geistig beeinträchtigter Menschen nachzuvollziehen. Außerdem stehen sie im Austausch mit einem Seniorenheim, in dem die Schüler beispielsweise Spielnachmittage verbrachten. Wer sich Veränderung wünscht, schafft sie am besten selbst. Gandhi wäre stolz auf die Schüler gewesen.

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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