Junge Asylbewerber:Besonders schutzbedürftig

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Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen steigt im Landkreis rasant an. Für ihre Betreuung gelten strenge Bestimmungen, weshalb die Behörden dringend weiteres Personal suchen

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Vor der neuen Turnhalle in Maisach steht ein schwarz gekleideter Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes. Zu bewachen gibt es in dem vor gerade mal einem Jahr eingeweihten Neubau keine Wertgegenstände. Der Sicherheitsdienst wurde vom Landratsamt beauftragt, damit 45 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Ruhe und Frieden zusammenleben. Die mit Feldbetten und Tischen eingerichtete Turnhalle ist eigentlich nur eine Übergangslösung. Die jungen Männer werden diese Woche in Schulcontainer beim Gymnasium Olching umziehen. Ebenso wie bei den erwachsenen Flüchtlingen steigt auch die Zahl der minderjährigen ständig an.

Wer die Prognosen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu den Flüchtlingszahlen verfolgt, weiß, dass sie permanent nach oben korrigiert werden: 300 000 erwartete Asylanträge für dieses Jahr hieß es im Februar, Anfang Mai waren es 450 000, vor 14 Tagen dann 800 000. Neben diesem beständig wachsenden Zuwachs zeichnet sich auch noch ab, dass der Anteil unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender stark zunimmt. Für 2015 rechnet das bayerische Sozialministerium mit einem Anstieg auf 10 000 allein in Bayern, im Vorjahr waren es nicht einmal 600.

Junge Flüchtlinge reparieren Fahrräder, die ihnen gespendet wurden. Für die Betreuung der Asylbewerber suchen Helferkreise wie der in Grafrath weiterhin neue Mitarbeiter. (Foto: Johannes Simon)

Diese jungen Menschen haben einen besonders hohen Bedarf an Betreuung. Wobei es im Landkreis derzeit nur 16- bis 18-Jährige gibt; Jüngere würden, sofern vorhanden, in Pflegefamilien untergebracht. Für alle minderjährigen Asylbewerber gilt nach dem Gesetz das Jugendhilferecht, nicht das Asylbewerberleistungsgesetz. Deshalb werden die Behörden, allen voran das Landratsamt, für diese Gruppe vor ganz neue Herausforderungen gestellt werden. Zum Beispiel benötigt jeder Minderjährige einen Vormund, alleine dafür musste das Jugendamt fünf Mitarbeiter abstellen. Und Sozialpädagogen müssen die fehlenden Eltern ersetzen und neben der Aufgabe, sich in Deutschland zu integrieren, auch alterstypische Fragen wie die Berufsausbildung begleiten.

Da sich die Ämter im Landkreis nach den Prognosen des Bamf richten, kann man nachvollziehen, dass sie regelmäßig von der Realität eingeholt werden: Immer wieder müssen sie binnen kurzer Zeit weitere Asylsuchende aufnehmen, auch Minderjährige. Im Juni hatte die Regierung von Oberbayern dem Landkreis innerhalb von einer Woche 20 minderjährige Flüchtlinge zugewiesen. Die sind zwar inzwischen in einem umgebauten Gewerbebau in Gernlinden untergekommen. Doch Ende Juli mussten in der Maisacher Turnhalle 45 Unbegleitete untergebracht werden

Und ihre Zahl wird weiter steigen, wie die Sprecherin des Landratsamtes betont. Erst Mitte August habe man von der Regierung von Oberbayern erfahren, dass der Landkreis für September und Oktober alle 14 Tage 15 weitere minderjährige Flüchtlinge aufnehmen müsse, sagt Ines Roellecke. Und die Leiterin des Amts für Jugend und Familie, Franziska Schlosser, ergänzt: "Wir sind laufend an der Objektakquise, genauso wie beim Personal, aber wir kommen kaum hinterher." Denn die Nachfrage nach Sozialpädagogen ist enorm. Und auch wenn die Turnhalle nur eine Übergangslösung in eine feste Unterkunft wie etwa das Schullandheim in Grunertshofen oder das ehemalige Hotel Drexler in Bruck gewesen ist, bemühte man sich im Landratsamt, es den jungen Menschen dort einigermaßen angenehm zu machen. Leiter der Einrichtung war ein Sozialpädagoge aus dem Jugendamt. "Extra eingestellt", so Stoffer, habe man einen Objektbetreuer, der sich vor allem um praktische Belange kümmerte. Der aber eigentlich viel mehr gewesen sei, eine Art "Herbergsvater".

Und dann der Deutschunterricht: Ende Juli kontaktierte das Amt das Brucker Forum. "In der ersten Augustwoche ging das los mit der Planung, und eine Woche später fing der Unterricht an." Auch in den anderen Unterkünften haben die jungen Flüchtlinge natürlich die Möglichkeit Deutsch zu lernen. Zudem hat das Landratsamt auch in der Berufsschule Raum für die Asylbewerber geschaffen. Dort wurden bereits vor einigen Monaten spezielle Schulklassen eingerichtet, vom kommenden Schuljahr an werden es insgesamt drei Klassen sein. "Vorrangig werden da die Unbegleiteten beschult", unterstreicht Schlosser.

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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