Jubiläum im Kloster:Juwel hinter der Schiebetür

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Das Museum Fürstenfeldbruck wird 30. Es hat sich über die Jahre einen exzellenten Ruf erarbeitet

Von Florian J. Haamann

Der Keller im Kunsthaus Fürstenfeldbruck - eine Kulisse, die zwischen Alice im Wunderland und einem LSD-Trip pendelt. Scherenschnittartige Fantasiefiguren, Wandteppiche mit unzähligen düsteren Figuren, fratzenhaft, aufwühlend. Dazwischen archaische Symbole, überall bunte Farben. Als Herzstück eine vollverspiegelte Kammer mit schwarz-weißen Figuren, darunter ein Schaukelpferd. Eine Stimmung, die den Betrachtenden einlullt und zugleich verstört. Wer im Juni 2017 durch die Rauminstallation "New Lung Seeded Inside" des französischen Künstlers Stéphane Blanquet im Museum Fürstenfeldbruck wandelt, spürt am eigenen Körper, wie beeindruckend, lebendig und aufwühlend moderne Museumsarbeit sein kann.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Museum Fürstenfeldbruck feiert 30. Geburtstag.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Da schau her: Hans-Jürgen Buchner (rechts) mit Museumsleiterin Angelika Mundorff.

Eva von Seckendorff (links) übergab 2018 die stellvertretende Leitung an Barbara Kink.

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(Foto: Johannes Simon)

Zur Dauerausstellung gehört neben einem Schuster in seiner Werkstatt ...

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(Foto: Johannes Simon)

... auch ein Mönch mit Kutte.

Vor 30 Jahren, am 12. Oktober 1991, ist das Museum Fürstenfeldbruck auf dem Klostergelände eröffnet worden. Ein Jubiläum, das an diesem Samstag von 17 Uhr an mit einem Tag der offenen Tür gefeiert wird. Den eher provinziellen Ruf, der dem Begriff "Stadtmuseum" oft zu Unrecht anhaftet, hat man in Fürstenfeldbruck inhaltlich schnell abgeschüttelt und das vor acht Jahren mit der Umbenennung in "Museum Fürstenfeldbruck" auch öffentlich manifestiert. Mit einer ständig erweiterten und aktualisierten Dauerausstellung, bemerkenswerter Forschungsarbeit zur Geschichte der Stadt und einem modernen museumspädagogischen Konzert hat sich das Museum einen hervorragenden Ruf weit über die Landkreisgrenzen hinweg erarbeitet. Über allem aber stehen die Sonderausstellungen, mit denen das Museum immer und immer wieder überrascht.

So war die Installation "New Lung Seeded Inside" Teil der Ausstellung "Graphzines", in der sich das Museum gemeinsam mit dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München deutschlandweit erstmals mit den oft im Comicstil gehaltenen, politischen Magazinen zu meist aktuellen Themen beschäftigt hat. Die Graphzine-Szene ist im Frankreich der Siebzigerjahre als Ausdruck jugendlicher Protestkultur entstanden, hoch politisch, scharf und überspitzt in ihrer Kritik. Dass das Museum damals mit Stéphane Blanquet einen der führenden Köpfe der Szene dazu bewegen konnte, eine Rauminstallation für Fürstenfeldbruck zu gestalten, war ein echter Coup.

Dass man im Museum Fürstenfeldbruck der politischen Bildungsarbeit einen hohen Stellenwert beimisst, zeigt sich immer wieder. 2019 hat die Ausstellung "Ausbildung - Enthemmung - Verbrechen. Die Polizeischule Fürstenfeldbruck im Nationalsozialismus" die Gräueltaten der benachbarten Ausbildungsstätte aufgearbeitet, 2017 konnten Besucher in "... und dann brach der Krieg herein" anhand von grafischen Arbeiten nicht nur nachvollziehen, wie sich das Genre in der Zeit von 1900 bis 1918 kunstgeschichtlich entwickelt hat, sondern auch, wie die Gesellschaft durch die Propaganda, auch in der Kunst, immer mehr dem Nationalismus und der Kriegslust verfällt.

Auch die aktuelle Sonderausstellung ist wieder ein Paradebeispiel für die Verbindung von Kunst-, Kultur- und Gesellschaftsgeschichte. "Frau darf... - 100 Jahre Künstlerinnen an der Akademie" erzählt vom langen Kampf junger Frauen um ihr Recht, an der Münchner Kunstakademie studieren zu dürfen. Sie erzählt aber auch von den vielen Frauen, die in den Jahrzehnten davor für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit gekämpft haben, von sozialen Bewegungen und der Unbeweglichkeit der Gesellschaft.

Und egal, wie groß das Thema ist, mit dem sich die Ausstellungen beschäftigen, es gelingt den Organisatorinnen fast immer, die Geschichten entlang lokaler Akteure und Akteurinnen zu erzählen.

Madonna

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(Foto: Museum FFB/oh)

Die Gottesmutter spielt in der zisterziensischen Mystik eine wichtige Rolle, das Patrozinium aller Zisterzienserkirchen ist "Maria Himmelfahrt". Rosenkranzmadonnen erfreuten sich im 16. und 17. Jahrhundert großer Beliebtheit und wurden von vielen Kirchen und Klöstern erworben. Dieses vom Bildhauer Hans Degler geschaffene Exemplar einer Rosenkranzmadonna von 1620 hat Abt Thomas für einen Altar in der Prälatenkapelle des Klosters gekauft.

August Aumiller

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(Foto: Museum FFB/oh)

Freundlich und dem Betrachtenden zugewandt wird August Aumiller, der letzte Hofkaplan in Fürstenfeld, in diesem Ölgemälde aus der Zeit um 1900 dargestellt. Der 1868 geborene Aumiller fühlte sich seiner Heimat tief verbunden und war leidenschaftlicher Sammler, vor allem von Möbeln und Kunstwerken. Seine Sammlung bildete den Grundstock des Brucker Heimatmuseums, das 1903/1904 vom Historischen Verein eröffnet wurde.

Carl Robiczek

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(Foto: Johannes Simon)

Carl Robiczek gehört zu den bedeutendsten freien Künstlern, die sich in der Zeit seit 1870 in Fürstenfeldbruck niedergelassen haben. Der 1837 geborene Robiczek hat erst an der Akademie in Wien studiert und später an der Münchner Kunstakademie. Dieses Selbstporträt, das im Museum zu finden ist, ist das letzte Gemälde, auf dem er sich selbst darstellt. Es zeigt Robiczek als 70-Jährigen, mit freundlichem Gesichtsausdruck.

Künstlerkind

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(Foto: Johannes Simon)

Aufmerksam und ruhig blickt das etwa achtjährige Mädchen nach links, ihr Gesicht ist fein ausgearbeitet. Auf dem Schoß hält die Tochter des Künstlers Carl Robiczek eine Puppe mit beiden Händen fest, die expressiver gemalt ist. Das von Robiczek geschaffene Porträt gilt als sehr gelungene Arbeit. Der Künstler ist 1880 mit seiner Frau und der Tochter nach Bruck gezogen und hat bis zu seinem Tod 1918 in der Dachauer Straße 29 gewohnt.

Nepomuk

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(Foto: Museum FFB/oh)

Der zur Seite geneigte Kopf mit heruntergezogenen Lidern und geöffnetem Mund und die zarte Farbigkeit entsprechen ganz dem Geist des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Der heilige Nepomuk, gekleidet im Gewand eines Chorherren, ist als sogenannter "Brückenmucki" europaweit auf Brücken aufgestellt. Ignaz Günther, der Künstler dieser Skulptur aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, gehört mit seinen Arbeiten zu den bedeutendsten barocken Bildhauern. Florian J. Haamann

Dass das Museum immer wieder mit großartigen Ausstellungen - inhaltlich und optisch - aufwarten kann, ist dem Team zu verdanken. Seit der Eröffnung vor 30 Jahren leitet Angelika Mundorff die Einrichtung, wenige Jahre später ist Eva von Seckendorff als ihre Stellvertreterin dazu gekommen. Bis 2018 haben die beiden das Museum mit ihren Ideen und unermesslichem Einsatz zu dem gemacht, was es heute ist. Vor drei Jahren ist von Seckendorff in den Ruhestand gegangen und hat ihr Amt an Barbara Kink übergeben, die auch die Leidenschaft und das Feuer ihrer Vorgängerin übernommen hat. Außerdem ist es der Verdienst der Historikerin, dass die Ausstellungen noch stärker die geschichtlichen Facetten der jeweiligen Themen aufgreifen und beleuchten.

Gründe zu feiern gibt es im Museum also wirklich mehr als genug. Deshalb sind an diesem Samstag von 17 Uhr an alle Bürgerinnen und Bürger zu einem Tag der offenen Tür eingeladen. Bei freiem Eintritt warten nicht nur eine große Geburtstagstorte und Livemusik, sondern auch zahlreiche Führungen durch die Dauer- und Sonderausstellungen. Außerdem werden den Besuchenden 30 Köpfe (siehe unten) vorgestellt, die sie anhand eines Flyers im Museum suchen können. Unterwegs können sie entdeckten, was für ein Juwel sich hinter der unscheinbaren Schiebetür am Rande des Klostergeländes verbirgt.

© SZ vom 25.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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