Jahrhunderte im Rückblick:Ludwig, der Fünfte

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Gern stöbert Ludwig Weiß senior im 36-bändigen Archiv der Familie und gibt das Wissen weiter. (Foto: Günther Reger)

Der Senior der Brucker Familie Weiß unterhält beim Erzählcafé in der Stadtbibliothek mit Anekdoten aus dem Internatsleben und Kuriositäten der Familien- und Stadtgeschichte

Von Ekaterina Kel, Fürstenfeldbruck

Ein tiefvioletter Amethyst, umrahmt von einem goldenen Oval, ziert den rechten Ringfinger von Ludwig Weiß senior. Ein Familienerbstück, vom Vater erhalten, verrät der Hotelier. Seinem Sohn, ebenfalls Ludwig, nur eben junior und damit dem sechsten Träger des royalen Namens, hat Weiß senior vor Jahren schon alle Geschäfte und allen Familienbesitz vermacht. Der 74-Jährige bleibt aber weiterhin das soziale Herz der Familie, hält Vorträge über die Geschichte seiner Familie, die seit 400 Jahren in Bruck angesiedelt ist und der das traditionsreiche Hotel Post mitsamt einigen anderen Grundstücken in der Stadt gehört. Er sorgt damit gewissermaßen für die Außenwirkung der Familie in Bruck. So auch am vergangenen Samstag in der Stadtbibliothek in der Aumühle. In Kooperation mit dem Brucker Forum hat die Aumühle mit einer neuen Reihe begonnen: dem Erzählcafé. Die Erzählungen von Weiß waren der überaus erfolgreiche Auftakt. Gut 80 Brucker waren gekommen, um einem der bekanntesten Bürger der Stadt zuzuhören.

Wie es sich für den Ältesten eines gutbürgerlichen Haushalts mit Aussicht auf ein großzügiges Erbe gehörte, damals in den Vierziger- und Fünfzigerjahren, haben ihn hauptsächlich nicht etwa die eigenen Eltern erzogen - "die hatten immer sehr viel zu tun!" -, sondern eine speziell für die Kindererziehung angeheuerte Gouvernante. Als der Bub dann mit zehn Jahren ins Internat geschickt wurde, musste er zum ersten Mal sein Bett selbst machen. "Ich hab dann bei meinen Mitschülern abgeguckt, wie die es machen", erzählt Weiß. Eine Anekdote aus heutiger Sicht ist wohl auch Weiß' Erinnerung an den typischen Tagesablauf im Internat in Liechtenstein: sechs Uhr in der Früh aufstehen, dann sagte der Aufseher: "Gelobt sei Jesus Christus" und die Jungen erwiderten: "In Ewigkeit Amen". Anschließend ging es zur Morgenmesse. Erst nach diesen Ritualen begann für die Schüler der Unterricht. Der Glaube spielte schon immer eine wichtige Rolle in Weiß' Leben. "Und vergiss' das Beten nicht", soll ihm sein Vater in den Briefen, die er dem Sohn ins Internat schickte, geschrieben haben. "Ich hab' mich dran gehalten", sagt Weiß heute.

Dem jungen Weiß ist das Leben so weit weg von der Heimat nicht gut bekommen. "Das war eine harte Zeit", betonte er mehrmals. Die Verbundenheit, die er seinem heimischen Eckchen Erde gegenüber empfindet, rührt wohl noch aus diesen jungen Jahren. Eine Klasse musste er gar wiederholen, "weil ich so doll Heimweih hatte, dass ich nicht lernen konnte", erzählt er. Als Jugendlicher musste er trotzdem seinen Verpflichtungen nachgehen und als Erbe des Hotel- und Landwirtschaftsbetriebs bestimmte berufliche Stationen absolvieren. Hotelfachschule in Genf, Kellnerpraktikum in Rothenburg ob der Tauber, kurze Kochlehre im Restaurant in München ("noch mit Kohleherd"), zum Englisch lernen nach Großbritannien, zum Winzern nach Bordeaux. Irgendwo dazwischen habe er seine Frau Hildegard kennengelernt. 1968 war die Hochzeit, über die Weiß' Mutter übrigens nicht glücklich gewesen sei, "weil sie keine eigene Brauerei oder ähnliches mitgebracht hat", so Weiß.

Die Hand am Kinn, hörte die Ehefrau in der ersten Reihe aufmerksam zu. Auch Schwester Christine, vom Bruder Christl genannt, gehörte zu den Zuhörern an diesem Nachmittag. Ob es die persönlichen Lebensgeschichten waren oder die Erinnerungen an ein Bruck und ein Emmering, die es so gar nicht mehr gibt - die Gäste hörten zwei Stunden lang aufmerksam zu.

Auf viel Interesse stieß Weiß' Erinnerung an einen Seitenarm der Amper, der wohl früher durch Emmering floss und 1960 zugeschüttet wurde; oder dass das Hotel Post als einziges Gebäude noch an der alten Wasserleitung, die vom Weiherhaus am Bahnhof, dem sogenannten Schokoladenhaus, ausgeht, angeschlossen ist. Im frühen 19. Jahrhundert diente die Quelle wohl noch einer Hand voll kleinerer Brauereien in Bruck zum Bierbrauen. Als Weiß es sich zum Schluss nicht nehmen ließ, seinen Unmut über den Siebzigerjahre-Neubau der Sparkasse kundzutun, gab es wohlwollendes Klatschen.

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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