100 Jahre Frauenwahlrecht:Was Frau von der Politik abhält

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Allein unter Stadträtinnen: Oberbürgermeister Andreas Haas lauscht der Diskussion über Frauen und Politik; rechts: Christine Borst. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Germeringer Stadträtinnen klagen über zu wenige weibliche Abgeordnete. Dabei übersehen sie das positive Beispiel ihrer Stadt

Von Andreas Ostermeier, Germering

Seit hundert Jahren dürfen sich Frauen an Wahlen beteiligen. Sie tun dies ebenso häufig wie die Männer, Unterschiede bei den Wählenden gibt es nicht. Ganz anders aber sieht es immer noch bei den Gewählten aus. In Parlamenten oder Gemeinderäten sitzen überwiegend Männer, und auch unter Ministern oder Bürgermeistern sind Frauen eine Minderheit. Gut zwei Dutzend ehemalige und amtierende Stadträtinnen aus Germering suchten bei einem Treffen die Gründe dafür, 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts. Sonja Thiele, langjährige Geschäftsführerin des Sozialdiensts und CSU-Stadträtin seit 2014, sagte, junge Frauen seien "sehr eingespannt" in das Berufs- und Familienleben. Ein Ehrenamt komme da oft erst im Alter von 60 Jahren infrage. Als Beispiel nannte sie sich selbst. Auch sie habe erst nach dem Ausscheiden aus dem Beruf für den Stadtrat kandidiert.

Marhild Liebermann saß für die SPD im Stadtrat und war Frauenreferentin. Sie machte darauf aufmerksam, dass sich Frauen oft weniger zutrauten als Männer. Dabei verwies sie auf die Kandidaturen für die Nachfolge von Angela Merkel an der Spitze der CDU. Fast im Sekundentakt seien die Bewerbungen der Männer "aufgeploppt", sagte sie, während sich in Annegret Kramp-Karrenbauer nur eine Frau das Amt zutraue. Sie wird gegen zwei Männer - Friedrich Merz und Jens Spahn - antreten. Um Frauen mehr Chancen zu eröffnen, helfe nur eine Quote, sagte Liebermann und nannte die Wahllisten von SPD und Grünen. Gabriele Off-Nesselhauf, Stadt- und Bezirksrätin der CSU, stimmte zu: "Ohne Quote geht es auch in der CSU nicht." Unterstützt wurden beide von Kraillings Bürgermeisterin Christine Borst (CSU), die zuvor über ihre Arbeit in der Förderung von Kommunalpolitikerinnen berichtet hatte. Die Anzahl weiblicher Abgeordneter gehe zurück, sagte sie, dagegen helfe nur eine Quote. Wählerinnen sollten dann aber auch Frauen ihre Stimme geben, hieß es.

Doch nicht überall sind Frauen unterrepräsentiert. Im Stadtrat von Germering sitzen seit den Wahlen im Jahr 2008 mehr Frauen als Männer. Die Gründe dafür analysierten die Diskutantinnen allerdings wenig. Es blieb im persönlichen Bereich, wenn die frühere Grünen-Stadträtin Ingeborg Keil erzählte, dass sie in ihrem politischen Engagement von Mann und Kindern unterstützt worden sei, oder ihre ehemalige Fraktionskollegin Michaela Radykewicz von ihrem Einsatz im Frauen- und Mütterzentrum und bei der Germeringer Fraueninitiative berichtete. Dabei hätte gerade der Beitrag von Radykewicz Anlass bieten können, auf Germeringer Besonderheiten einzugehen, die sich positiv auf kommunalpolitische Karrieren von Frauen auswirken. So gibt es ein großes Angebot an sozialem Engagement durch Frauen. Die vielen Gruppen und Vereine bieten eine Gelegenheit, Netzwerke zu bilden und sich bekannt zu machen. Freilich bieten auch Zusammenschlüsse wie die Fraueninitiative oder das Mütterzentrum solche Möglichkeiten. Und eine Rolle für den großen Anteil an Stadträtinnen spielt auch die Germeringer Frauen-Union. Denn nicht nur bei Grünen und SPD sind Frauen in der Überzahl, auch in der CSU-Fraktion ist das so. Und das ist wohl der größte Unterschied zu anderen Gemeinderäten oder gar dem Landtag.

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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