Inklusionstag:Neue Perspektiven

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Was vom Spielfeldrand aus so einfach wirken mag, stellt sich als kompliziert heraus, wenn man selbst mitspielt: Rollstuhlbasketball in der Stadthalle. (Foto: Johannes Simon)

Beim Inklusionstag unter dem Titel "Vielfalt Leben" lernen sich Menschen mit und ohne körperliches Handicap kennen. In der Stadthalle reden und diskutieren sie miteinander. Vor allem aber lernen sie Barrieren auf spielerische Weise kennen

Von Katharina Knaut, Germering

"Come closer", singt Lucy Wilke, Leadsängerin des Jazzduos "Blind and Lame", gefühlvoll ins Mikrofon. "Don't be scared." Hingerissen lauschen die Zuschauer der Stimme. Alle spüren die große Bedeutung, die hinter diesen Worten steckt. Denn Lucy singt dabei über ihr Leben im Rollstuhl. Begleitet wird sie von ihrer Mutter Kika. Sie ist blind. "Come a little closer" ist das einzige Lied ihres Repertoires, in dem sie sich mit ihrer Beeinträchtigung auseinandergesetzt haben. Sie wollen damit sagen: Wir sind nicht anders als alle anderen, lernt uns kennen. Denn was man kennt, das fürchtet man nicht.

Kommt näher, habt keine Angst: genau das ist auch das Motto des Inklusionstages "Vielfalt Leben" am Samstag in der Stadthalle Germering gewesen, bei dem auch "Blind and Lame" auftritt. Menschen mit und ohne Behinderung sollen hier zusammenkommen, um die bestehenden Unsicherheiten auf beiden Seiten auszuräumen. Gleichzeitig sollen an diesem Tag Betroffene und Angehörige in Diskussionsrunden zu verschiedenen Themen ihre Wünsche äußern und sagen, was ihrer Meinung nach einem behindertengerechten Leben im Landkreis noch entgegensteht. Die Ergebnisse werden im Laufe des Jahres ausgewertet und in einem Aktionsplan zusammengefasst, der voraussichtlich im nächsten Frühjahr vorgestellt wird. Das erste Fazit ergibt, dass noch einige bauliche Hindernisse existieren, wie beispielsweise kaputte Aufzüge an Bahnhöfen. Darüber hinaus gibt es Forderung nach weniger Bürokratie sowie nach mehr Angeboten in Vereinen, wie spezielle Tanzkurse oder Schwimmangebote.

Die Experten, die die Diskussionsrunden betreut haben, sind mit der Beteiligung sehr zufrieden. "Die Bude war voll", meint Birgit Baumeister, Mitarbeiterin des Vereins "Dreirat", der am Projekt beteiligt ist. Sie betreut als Expertin die Gruppe" Bildung" und freut sich sehr über den regen Austausch. Vieles läuft ihrer Meinung nach im Landkreis schon gut, aber es müsse auch noch einiges getan werden. Unter anderem hat die Mutter eines blinden Mädchens erzählt, ihre Tochter müsse täglich nach München fahren, weil das Gymnasium in ihrer Nähe sie wegen ihrer Behinderung nicht aufnehmen wollte. "Wir stehen am Anfang eines langen, langen Weges", so Baumeister.

Am Samstag können in Germering auch Menschen ohne Handicap erfahren, was es bedeutet, eine Beeinträchtigung zu haben. Ein besonderes Highlight ist dabei ein Rollstuhlparcours mit verschiedenen Rampen und Hürden. Viele stellen dabei ganz schnell fest: einfach ist es nicht. Oft bedarf es mehrerer Anläufe, manchmal sogar eines hilfreichen Anschubs, bis das Hindernis überwunden werden kann. Gleich nebenan laden die inklusive Basketballgruppe aus Augsburg und der USC München zum Mitspielen ein. Auch hier stellen viele fest: Körbe zu werfen ist bei weitem nicht so spielerisch leicht, wie es auf den ersten Blick aussieht.

Erläutert werden in der Stadthalle an diesem Tag auch Hörgeräte und die optimale Nutzung. Laut Simone Schnabel wissen viele Menschen nicht, dass bereits in einigen öffentlichen Räumen Induktionsschleifen verlegt sind. Schnabel ist Vorstandsmitglied im Bayerischen Cochlea-Implantat-Verband. Wenn bei einer Veranstaltung jemand in ein Mikrofon spricht, könne dies durch die Schleife direkt ins jeweilige Hörgerät übertragen werden. Auch in der Stadthalle in Germering ist die Verlegung einer solchen Schleife geplant, erklärt Schnabel. Um solche Angebote nutzen zu können, müssen Betroffene ihr Gerät entsprechend einstellen. Auf diese Funktion würden aber viel zu wenig Hörgeräte-Nutzer von ihren Akustikern hingewiesen. Auch für solche Informationen ist der Inklusionstag gedacht. Dieses Ziel wurde offenbar erreicht, viele sind sich einig: Es wurde viel kommuniziert und diskutiert. "Je mehr Begegnung, desto mehr Inklusion", findet Baumeister. Wie auch Lucy Wilke gesungen hat: "Come closer, don't be scared."

© SZ vom 25.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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